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Ein diplomatischer Zwischenfall

Ein diplomatischer Zwischenfall

Titel: Ein diplomatischer Zwischenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Exemplar des Genus »Butler« hob sich von der erleuchteten Halle ab.
    »Mr Benedict Farley?«, fragte Hercule Poirot.
    Der unpersönliche Blick musterte ihn von Kopf bis Fuß, nicht verletzend, aber gründlich.
    »Werden Sie erwartet, Sir?«, erkundigte sich die glatte Stimme.
    »Ja.«
    »Wie lautet Ihr Name, Sir?«
    »Monsieur Hercule Poirot.«
    Mit einer Verbeugung trat der Butler zur Seite, und Hercule Poirot betrat das Haus. Der Butler schloss die Tür hinter ihm.
    Aber es war noch eine weitere Formalität zu erledigen, ehe die geschickten Hände dem Besucher Stock und Hut abnahmen.
    »Sie werden verzeihen, Sir. Aber ich sollte mir einen Brief zeigen lassen.«
    Bedächtig nahm Poirot den gefalteten Brief aus seiner Tasche und reichte ihn dem Butler. Dieser warf einen flüchtigen Blick darauf und gab ihn mit einer Verbeugung zurück. Hercule Poirot steckte ihn wieder ein. Der Inhalt lautete knapp:
     
    Northway House, W. 8
     
    Sehr geehrter Mr Poirot,
    Mr Benedict Farley möchte gern Ihren Rat in Anspruch nehmen. Wenn es Ihnen passt, würde er es begrüßen, wenn Sie morgen, Donnerstag, um 21.30 Uhr bei ihm an der oben genannten A d resse vorsprechen würden.
    Hochachtungsvoll
    Hugo Cornworthy
    (Sekretär)
     
    P.S. Bringen Sie bitte diesen Brief mit.
     
    Gewandt nahm der Butler Poirot Hut, Stock und Mantel ab und sagte: »Gestatten Sie, dass ich Sie nach oben in Mr Cornworthys Zimmer bringe.«
    Mit diesen Worten stieg er die breite Treppe hinauf, und Poirot folgte ihm, wobei seine Augen voller Wohlgefallen auf solchen Kunstgegenständen ruhten, die einen üppigen, überladenen Charakter hatten. Sein eigener Kunstgeschmack war stets etwas zurückhaltender gewesen.
    Im ersten Stock klopfte der Butler an eine Tür.
    Hercule Poirot zog die Augenbrauen ein wenig in die Höhe. Dies war der erste Missklang. Denn die besten Butler klopfen nicht an – und dennoch handelte es sich hier zweifellos um einen erstklassigen Butler.
    Es war sozusagen der erste Kontakt mit dem exzentrischen Wesen eines Millionärs.
    Eine Stimme ertönte aus dem Inneren, und der Butler öffnete die Tür. Gleichzeitig meldete er (und wiederum spürte Poirot ein absichtliches Abweichen vom Althergebrachten):
    »Der Herr, den Sie erwarten, Sir.«
    Poirot trat ins Zimmer. Es war ein ziemlich großer, einfach und praktisch ausgestatteter Raum, der Ablageschränke, einige Sessel und einen großen, imposanten, mit sorgfältig geordneten Papieren bedeckten Schreibtisch enthielt. Die Ecken des Raumes waren in Dämmerlicht gehüllt, denn das einzige Licht kam von einer großen, grünbeschirmten Leselampe, die auf einem kleinen Tisch neben einem der Sessel stand. Sie war so gestellt, dass ihr voller Lichtschein auf jeden fiel, der sich von der Tür her näherte. Hercule Poirot blinzelte ein wenig in dem grellen Licht der mindestens 100-Watt-Birne. Im Sessel saß eine dünne Gestalt in einem Flickenschlafrock – Benedict Farley. Den Kopf hatte er in charakteristischer Haltung vorgestreckt, und die Hakennase ragte hervor wie der Schnabel eines Vogels. Eine weiße Haarmähne erhob sich wie der Kamm eines Kakadus über seiner Stirn. Seine Augen glitzerten hinter dicken Gläsern, als er seinen Besucher misstrauisch aufs Korn nahm.
    »He«, sagte er schließlich, und seine krächzende Stimme klang schrill und barsch. »Sie sind also Hercule Poirot, he?«
    »Zu Diensten«, erwiderte Poirot höflich und verbeugte sich.
    »Nehmen Sie Platz, nehmen Sie Platz«, sagte der alte Mann gereizt.
    Hercule Poirot nahm Platz – im grellen Schein der Lampe.
    Aus dem Schatten hinter der Lampe heraus schien der alte Mann ihn aufmerksam zu studieren.
    »Wie kann ich wissen, dass Sie Hercule Poirot sind, he?«, fragte er verdrießlich. »Sagen Sie mir das mal.«
    Abermals zog Poirot den Brief aus der Tasche und reichte ihn Farley.
    »Ja«, gab der Millionär grollend zu. »Stimmt. Das habe ich durch Cornworthy schreiben lassen.« Damit faltete er den Brief zusammen und warf ihn zurück. »Sie sind also der Knabe, ja?«
    Mit einer kleinen Geste sagte Poirot:
    »Ich versichere Ihnen, es handelt sich um keine Täuschung.«
    Benedict Farley kicherte plötzlich.
    »Das behauptet der Taschenspieler ebenfalls, ehe er die Karnickel aus dem Hut nimmt. Dieser Ausspruch gehört mit zum Trick.«
    Poirot erwiderte nichts darauf. Farley sagte plötzlich:
    »Sie halten mich wohl für einen misstrauischen alten Mann, wie? Das bin ich auch. Traue keinem! Das ist mein Motto. Man kann auch

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