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Ein diplomatischer Zwischenfall

Ein diplomatischer Zwischenfall

Titel: Ein diplomatischer Zwischenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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als wolle sie als französische Marquise auf einen Maskenball gehen. Im Übrigen war ihre ältliche Gestalt nicht, wie man hätte erwarten sollen, in rauschende schwarze Seide, sondern in eine der glänzenderen Abarten schwarzer Kunstseide gehüllt. Obwohl sie nicht gerade schlank war, hatte sie einen gut entwickelten, üppigen Busen. Ihre Stimme war wider Erwarten tief, und sie sprach mit ausgezeichneter Diktion. Nur ein leichtes Zögern bei Wörtern, die mit einem H begannen, und die schließlich übertriebene Aussprache der Aspiraten erweckten den Verdacht, dass sie in ferner Jugendzeit vielleicht die Gewohnheit hatte, selbige unter den Tisch fallen zu lassen.
    »Der Fisch, Madam«, sagte Mrs Cresswell. »Das Kabeljaufilet ist nicht geschickt worden. Ich habe Alfred gebeten, es zu holen. Aber er weigert sich.«
    Miss Greenshaw brach in unerwartetes Gelächter aus.
    »Weigert sich, ja?«
    »Alfred ist höchst ungefällig gewesen, Madam.«
    Miss Greenshaw hob zwei erdbeschmutzte Finger an die Lippen, stieß einen ohrenzerreißenden Pfiff aus und rief:
    »Alfred! Alfred, komm mal her!«
    Auf diese Aufforderung hin erschien an der Ecke des Hauses ein junger Mann mit einem Spaten in der Hand. Er hatte ein verwegenes, hübsches Gesicht, und als er näher kam, warf er Mrs Cresswell einen unverkennbar bösen Blick zu.
    »Sie haben mich gerufen, Miss?«
    »Ja, Alfred. Ich höre, du hast dich geweigert, den Fisch zu holen. Wie steht es damit?«
    Alfred antwortete in mürrischem Ton.
    »Wenn Sie es wünschen, Miss, will ich ihn holen. Sie brauchen es nur zu sagen.«
    »Ich wünsche es. Ich möchte den Fisch für mein Abendessen haben.«
    »In Ordnung, Miss. Ich gehe sofort.«
    Er warf Mrs Cresswell einen viel sagenden Blick zu. Sie murmelte vor sich hin:
    »Unerhört! Es ist unerträglich.«
    »Da fällt mir gerade ein«, sagte Miss Greenshaw, »dass wir ein paar Besucher eigentlich sehr gut gebrauchen können, nicht wahr, Mrs Cresswell?«
    Mrs Cresswell blickte verdutzt.
    »Ich verstehe nicht, Madam.«
    »Sie wissen doch, wofür«, sagte Miss Greenshaw, heftig mit dem Kopf nickend. »Der Erbe darf das Testament nicht als Zeuge unterschreiben. Das stimmt doch, nicht wahr?«
    Sie wandte sich an Raymond West.
    »Ganz richtig«, bestätigte Raymond.
    »So viel weiß ich nämlich auch von der Rechtswissenschaft«, erklärte Miss Greenshaw. »Und Sie sind beide Männer von Rang.« Sie warf ihren Pflanzenheber in den Unkrautkorb.
    »Würden Sie vielleicht so gut sein und mit in die Bibliothek kommen?«
    »Mit Vergnügen«, erklärte Horace eifrig.
    Miss Greenshaw führte sie durch eine Glastür in einen riesigen in Gelb und Gold gehaltenen Salon mit verschossenem Brokat an den Wänden und Schutzhüllen über den Möbeln, und dann durch eine große dämmrige Halle die Treppe hinauf und in ein Zimmer im ersten Stock.
    »Die Bibliothek meines Großvaters«, verkündete sie stolz.
    Horace blickte sich mit ausgesprochenem Vergnügen im Raum um. Von seinem Standpunkt aus gesehen, steckte er voller Monstrositäten. Die Köpfe von Sphinxen tauchten an den unwahrscheinlichsten Möbelstücken auf. Es existierte eine kolossale Bronze, die Paul und Virginia darstellte, ferner eine riesige Kaminuhr mit klassischen Motiven, die er brennend gern fotografiert hätte.
    »Viele schöne Bücher«, bemerkte Miss Greenshaw.
    Raymond stand bereits vor den Bücherreihen. Schon ein flüchtiger Blick verriet ihm, dass kein Buch von wirklichem Interesse dabei war, ja überhaupt kein Buch, das gelesen zu sein schien. Es waren alles prächtig gebundene Sammlungen von Klassikern, wie sie vor neunzig Jahren für die Ausstattung der Bibliothek eines Gentleman geliefert wurden. Es waren auch einige Romane einer vergangenen Zeit darunter. Aber auch sie erweckten den Eindruck, als ob sie nie gelesen worden seien.
    Miss Greenshaw fummelte in den Schubladen eines ungeheuren Schreibtisches herum und holte schließlich eine Pergamenturkunde hervor.
    »Mein Testament«, erläuterte sie. »Man muss ja sein Geld irgendjemandem vermachen – so heißt es wenigstens. Wenn ich ohne Testament stürbe, fiele es an den Sohn des Pferdehändlers. Ein hübscher Bursche, dieser Harry Fletcher, aber auch ein ausgekochter Schurke. Ich sehe nicht ein, warum sein Sohn diesen Besitz erben soll. Nein«, fuhr sie fort, gleichsam in Erwiderung auf einen unausgesprochenen Einwand, »ich habe es mir überlegt und hinterlasse alles Cresswell.«
    »Ihrer Haushälterin?«
    »Ja. Ich habe ihr

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