Ein diskreter Held
einem einzigen galligen und blutigen Erbrechen. Dann sähe er sein kleines Herz auf dem Lehmboden des Hauses der Santera, zerschmettert,platt, ganz ruhig zu seinen Füßen, vielleicht umkrabbelt von schokoladenbraunen Schaben. Das wäre das Letzte, woran er sich von diesem Leben erinnerte. Sobald seine Seele die Augen aufschlug, stand er vor Gott. Oder, wer weiß, vor dem Teufel, Felícito.
»Was gibt es denn?«, fragte er besorgt, denn kaum sah er ihre Gesichter, begriff er, dass etwas Ernstes passiert sein musste, daher die Dringlichkeit, mit der sie ihn aufs Revier bestellt hatten, daher die unbehaglichen Mienen, die scheuen Blicke und dieses verlegene, falsche Lächeln von Hauptmann Silva und Sergeant Lituma. Die beiden Polizisten saßen wie versteinert da, als er die enge Stube betrat.
»Hier, Felícito, ist schön frisch. Mach den Mund auf und trink langsam, in kleinen Schlucken, Schätzchen. Wirst sehen, es tut dir gut.«
Er nickte, und mit geschlossenen Augen öffnete er die Lippen und spürte erleichtert die kühle Flüssigkeit, die Adelaida ihm einflößte wie einem kleinen Kind. Ihm war, als löschte das Wasser die Flammen an seinem Gaumen und an seiner Zunge. Sprechen konnte oder wollte er nicht, aber er dachte: Danke, Adelaida. Das stille Halbdunkel, in das der kleine Laden der Santera immer getaucht war, beruhigte seine Nerven ein wenig.
»Wichtige Dinge, mein Freund«, sagte schließlich Hauptmann Silva, der, nun sehr ernst, aufstand und ihm mit ungewöhnlicher Innigkeit die Hand gab. »Aber gehen wir auf einen Kaffee an einen kühleren Ort, an der Avenida. Da können wir uns besser unterhalten als hier. Eine scheiß Hitze in dieser Höhle, finden Sie nicht, Don Felícito?«
Und bevor er auch nur antworten konnte, nahm der Kommissar seine Mütze vom Haken und ging zur Tür, gefolgt von Lituma, der sich wie ein Roboter bewegte und es vermied, ihm in die Augen zu sehen. Was war los mit ihnen? Welche wichtigen Dinge? Was war passiert? Was war in sie gefahren, in diese blöden Bullen?
»Geht es dir besser, Felícito?«, fragte die Santera.
»Ja, besser«, konnte er mühsam stammeln. Die Zungeschmerzte, der Gaumen, die Zähne. Aber das frische Wasser hatte ihm gutgetan, hatte ihm ein wenig von dieser Energie zurückgegeben, die aus seinem Körper entwichen war. »Danke, Adelaida.«
»Na, Mensch, zum Glück«, rief die Mulattin, bekreuzigte sich und lächelte. »Du hast mir vielleicht einen Schreck eingejagt, Felícito. Und wie blass du warst, ach, che guá! Als du hereinkamst und in den Schaukelstuhl geplumpst bist, sahst du schon aus wie halb tot. Was ist passiert, Schätzchen, es ist doch niemand gestorben.«
»Ihre Geheimnistuerei macht mich ganz kribbelig, Hauptmann«, versuchte Felícito es noch einmal. »Was für wichtige Sachen, wenn ich fragen darf?«
»Einen schön starken Kaffee für mich«, bestellte Hauptmann Silva. »Einen kleinen mit einem Schuss Milch für den Sergeanten. Was trinken Sie, Don Felícito?«
»Eine Brause, Coca-Cola, Inca Kola, egal was.« Vor Ungeduld trommelte er auf den Tisch. »Kommen wir zur Sache. Ich bin jemand, der mit schlechten Nachrichten umgehen kann, so langsam gewöhne ich mich daran. Rücken Sie endlich heraus.«
»Der Fall ist geklärt«, sagte der Hauptmann und schaute ihm in die Augen. Aber es lag keine Freude in seinem Blick, sondern Kummer, sogar Mitleid. Und statt fortzufahren, verstummte er.
»Geklärt?«, rief Felícito. »Heißt das, Sie haben sie geschnappt?«
Er sah, wie der Hauptmann und der Sergeant nickten, immer noch todernst und lächerlich steif. Warum schauten sie ihn so seltsam an, als täte er ihnen leid? Auf der Avenida Sánchez Cerro war ein höllisches Treiben, Menschen, die in alle Richtungen strömten, Hupen, Schreien, Iah und Gebell. Ein Vals lief, aber die Sängerin hatte nicht die sanfte Stimme von Cecilia Barraza, woher auch, sondern die einer alten Schnapsdrossel.
»Erinnerst du dich, als ich das letzte Mal hier war, Adelaida?« Felícito sprach sehr leise, suchte nach den Worten, fürchtete, die Stimme könnte ihm versagen. Um freier zu atmen, hatte ersich die Weste aufgeknöpft und die Krawatte gelockert. »Als ich dir den Brief mit der Spinne vorgelesen habe.«
»Ja, Felícito, ich erinnere mich gut.« Die riesigen, besorgten Augen der Santera durchbohrten ihn.
»Und weißt du noch, wie du, als ich schon gehen wollte, plötzlich eine Eingebung hattest und sagtest, ich soll mich drauf einlassen und ihnen den
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