Ein diskreter Held
verlangten monatlichen Betrag zahlen? Erinnerst du dich auch daran, Adelaida?«
»Klar, Felícito, natürlich, wie sollte ich mich nicht erinnern. Aber sagst du mir endlich, was los ist? Warum bist du so blass, warum ist dir schwindlig?«
»Du hattest recht, Adelaida. So wie immer. Ich hätte auf dich hören sollen. Denn, denn …«
Er konnte nicht weitersprechen. Die Stimme versank in einem Schluchzer, und er musste weinen. Wie lange hatte er nicht geweint. Seit dem Tag, an dem sein Vater starb, in diesem dunklen Loch von Notaufnahme im Hospital Obrero? Oder seit jener Nacht, in der er zum ersten Mal mit Mabel schlief? Aber das galt nicht, das war vor Glück. Jetzt dagegen kamen ihm die die Tränen andauernd.
»Die Sache ist geklärt, und jetzt werden wir es Ihnen erläutern, Don Felícito«, überwand sich der Hauptmann schließlich und sagte, was er bereits gesagt hatte. »Ich fürchte allerdings, es wird Ihnen nicht gefallen.«
Felícito richtete sich auf und wartete, alle seine Sinne hellwach. Er hatte den Eindruck, dass die Leute aus der kleinen Kneipe verschwanden, die Geräusche auf der Straße verstummten. Etwas sagte ihm, dass das, was nun auf ihn zukam, das schlimmste Unglück von allen war, die in letzter Zeit über ihn hereinbrachen. Seine Beine zitterten.
»Adelaida, Adelaida«, schluchzte er und wischte sich die Augen. »Ich musste mir irgendwie Luft machen, ich konnte nicht mehr an mich halten. Ich schwöre, normalerweise weine ich nicht, entschuldige.«
»Keine Sorge, Felícito.« Die Santera lächelte ihm zu und tätschelte liebevoll seine Hand. »Es tut uns allen gut, von Zeitzu Zeit ein paar dicke Tränen zu vergießen. Mich überkommt auch manchmal das heulende Elend.«
»Dann schießen Sie los, Hauptmann, ich bin bereit«, versicherte Felícito Yanaqué. »Klar und deutlich, bitte.«
»Der Reihe nach.« Hauptmann Silva räusperte sich, um Zeit zu gewinnen, nahm die Tasse Kaffee, trank ein Schlückchen. »Das Beste wird sein, wenn Sie die Geschichte von Anfang an erfahren, so wie auch wir. Wie hieß noch mal der Polizist, der zum Schutz der Señora Mabel abgestellt war, Lituma?«
Candelario Velando, dreiundzwanzig Jahre alt, aus Tumbes. Seit zwei Jahren war er bei der Guardia Civil, und es war das erste Mal, dass seine Vorgesetzten ihn in Zivil einsetzten. Sie postierten ihn vor dem Häuschen der Señora, in dieser Sackgasse im Bezirk Castilla nahe dem Fluss und der Don-Bosco-Schule der Salesianerpatres, mit der Anweisung, dafür zu sorgen, dass der Bewohnerin des Hauses nichts passierte. Er sollte ihr, wenn nötig, zu Hilfe eilen, aufschreiben, wer sie besuchte, ihr unbemerkt folgen, notieren, mit wem sie sich traf, wen sie besuchte, was sie tat oder ließ. Man gab ihm seine Dienstwaffe mit zwanzig Schuss Munition, eine Kamera, ein Notizbuch, einen Stift und ein Mobiltelefon, zu benutzen nur im äußersten Notfall und unter keinen Umständen für Privatgespräche.
»Mabel?« Die Santera riss ihre immer leicht wahnumfangenen Augen weit auf. »Dein Liebchen? Sie selbst?«
Felícito nickte. Das Glas war längst leer, aber er schien es nicht zu merken, denn immer wieder hielt er es an den Mund und bewegte die Lippen und die Kehle, als tränke er ein Schlückchen Wasser.
»Sie selbst, Adelaida«, und mehrmals nickte er. »Mabel, ja. Ich kann es immer noch nicht fassen.«
Er war ein guter Polizist, pflichtbewusst und zuverlässig. Er mochte seinen Beruf, und bisher hatte er noch nie Schmiergeld angenommen. An jenem Abend war er jedoch sehr müde, vierzehn Stunden folgte er der Dame schon durch die Stadt und bewachte ihr Haus, und kaum hatte er sich in eine Ecke gesetzt, wo kein Licht hindrang, und sich an die Wand gelehnt, schliefer ein. Er wusste nicht, wie lange, aber es musste eine Weile gewesen sein, denn als er erschrocken aufwachte, war alles in der Gasse still. Die Kinder, die mit dem Kreisel spielten, waren verschwunden, und in den Häusern waren die Lichter gelöscht und die Türen verschlossen. Nicht einmal die Hunde liefen noch herum und bellten. Ringsum schien alles zu schlafen. Ganz benommen erhob er sich und trat, immer im Schatten, an das Haus der Señora. Er hörte Stimmen. Presste das Ohr an ein Fenster. Es klang nach einem Streit. Er verstand kein Wort, aber es waren ein Mann und eine Frau, ohne Zweifel, und sie stritten sich. Er duckte sich rasch an ein anderes Fenster, dort konnte er besser hören. Sie warfen sich Beschimpfungen an den Kopf, aber geschlagen wurde noch
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