Ein diskreter Held
später. Ich werde auch beten.«
»Ja, in der Fatimakirche«, sagte Fonchito, blass und etwas verlorenen Blicks. »Meine Freunde von der Bibelgruppe und ich sind dort hingegangen, um zu beichten. Sie waren schon fort, ich war der Letzte im Beichtstuhl. Es waren nicht mehr viele Leute in der Kirche. Und auf einmal habe ich gemerkt,dass er schon wer weiß wie lange dort saß. Ja, Papa, direkt neben mir. Ich habe mich vielleicht erschreckt. Ich weiß, du glaubst mir nicht, du sagst bestimmt, ich hätte diese Begegnung wieder erfunden. Und er hat von der Bibel gesprochen, ja.«
»Wie auch immer«, sagte Rigoberto beschwichtigend. »Lass uns lieber zum Hotel zurückgehen. Wir essen dort zu Mittag. Der Herr Yanaqué sagte, er würde sich irgendwann am Nachmittag mit mir in Verbindung setzen. Wenn er denn so heißt. Ein wirklich seltsamer Name, klingt wie der Künstlername von so einem Rocksänger mit Tätowierungen, nicht?«
»Für mich klingt es eher nach einem Namen hier aus Piura«, meinte Lucrecia. »Vielleicht ein Nachfahre der Tallanes.«
Er zahlte, und die drei verließen das Café. Als sie über den Platz gingen, musste Rigoberto sich der Schuhputzer und Losverkäufer erwehren, die ihm ihre Dienste anboten. Jetzt allerdings wurde es immer heißer. Am wolkenlosen Himmel stand eine weiße Sonne, und alles ringsum, die Bäume, Bänke und Steinplatten, die Leute, Hunde und Autos schienen zu glühen.
»Tut mir leid, Papa«, flüsterte Fonchito bedrückt. »Ich weiß, für dich ist das keine gute Nachricht, noch dazu jetzt, wo für dich alles so schwierig ist mit dem Tod von Herrn Carrera und dem Verschwinden von Armida. Es ist doof von mir, dass ich dir das antue, ich weiß. Aber du hast mich gebeten, dir alles zu erzählen, dir die Wahrheit zu sagen. Das wolltest du doch, oder, Papa?«
»Ich hatte Geldprobleme, wie alle in diesen Zeiten, und gesundheitlich ging es mir nicht gut«, sagte Edilberto Torres mit matter Stimme. »In letzter Zeit bin ich kaum vor die Tür gegangen. Das ist der Grund, warum du mich so viele Wochen nicht gesehen hast, Fonchito.«
»Sind Sie in die Kirche gekommen, weil Sie wussten, dass ich und meine Freunde von der Bibelgruppe hier sind?«
»Nein, sondern um nachzudenken, um zur Ruhe zu kommen, um die Dinge gelassen und mit Abstand zu sehen«, erklärte er, aber er schien alles andere als gelassen, er zitterte, war aufgewühlt. »Ich tue das oft. Ich kenne die Hälfte der Kirchen in Lima, vielleicht mehr. Die Atmosphäre von Andacht, Stille und Gebet tut mir gut. Ich mag sogar die Betschwestern, den Geruch von Weihrauch und den Muff in den kleinen Kapellen. Wahrscheinlich bin ich ein altmodischer Mensch, das kann man wohl sagen. Ich bete auch und lese die Bibel, Fonchito, sosehr es dich wundern mag. Ein weiterer Beweis dafür, dass ich nicht der Teufel bin, wie dein Vater glaubt.«
»Es wird ihm wehtun, wenn er erfährt, dass ich Sie gesehen habe«, sagte der Junge. »Er denkt, es gibt Sie nicht, ich hätte Sie erfunden. Und meine Stiefmutter auch. Das glauben sie wirklich. Deshalb war mein Vater auch so froh, als er hörte, Sie könnten ihm bei seinen Problemen mit dem Gericht helfen. Er wollte Sie sehen, sich mit Ihnen treffen. Aber dann sind Sie ja verschwunden.«
»Dafür ist es nie zu spät«, sagte Edilberto Torres. »Sehr gerne will ich mich mit Rigoberto treffen und ihm alle Bedenken zu meiner Person nehmen. Ich wäre gern auch sein Freund. Wir sind etwa gleich alt, schätze ich. Um ehrlich zu sein, ich habe keine Freunde, nur Bekannte. Ich bin sicher, wir beide würden uns gut verstehen.«
»Für mich den Seco de Chabelo«, bestellte Don Rigoberto beim Kellner. »Ein typisches Gericht aus Piura, nicht wahr?«
Doña Lucrecia bestellte den Seebarsch vom Grill mit gemischtem Salat und Fonchito nur ein Ceviche. Der Speisesaal des Hotels Los Portales war fast menschenleer, ein paar gemächliche Ventilatoren kühlten die Luft. Alle drei tranken Limonade mit viel Eis.
»Ich würde dir gerne glauben, ich weiß ja, dass du mich nicht anlügst, dass du ein redlicher Junge bist, mit dem Herzen auf dem rechten Fleck«, sagte Rigoberto, und in seiner Miene lag Verdruss. »Aber dieser Mensch ist für mich und Lucrecia zu einer echten Last geworden. So wie es aussieht, werden wir ihn nie wieder los, er verfolgt uns noch bis ins Grab. Was wollte er diesmal?«
»Dass wir uns über Tiefsinniges unterhalten, ein Gespräch unter Freunden«, erklärte Edilberto Torres. »Über Gott, das
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