Ein diskreter Held
immer umbringt. Warum sollten sie es nicht tun, wenn sie dann an das ganze Erbe des Herrn Carrera kommen?«
Sie machte eine Pause und sah Felícito in die Augen.
»Deshalb habe ich beschlossen zu fliehen. Ich dachte, hier in Piura sucht mich bestimmt niemand. Das ist mehr oder weniger die Geschichte, die ich Ihnen erzählen wollte, Felícito.«
»Ja, das versteh ich«, sagte er. »Bloß, wirklich Pech, aber das Schicksal hat Sie in die Höhle des Löwen geführt. So kann es passieren. Das nennt man vom Regen in die Traufe, Armida.«
»Wie ich schon sagte, es ist nur für ein paar Tage, und Sie können sicher sein, länger bleibe ich nicht«, sagte sie. »Ich muss mit jemandem in Lima sprechen. Die einzige Person, zu der mein Mann vollkommenes Vertrauen hatte. Er war einer unserer Trauzeugen. Würden Sie mir dabei helfen? Ich habe seine Telefonnummer. Ob Sie mir diesen großen Gefallen tun könnten?«
»Aber rufen Sie ihn doch selbst an«, sagte Felícito.
»Das wäre nicht ratsam.« Armida zögerte, und mit einem Blick zum Telefon: »Und wenn es abgehört wird? Mein Mann glaubte, die Zwillinge hätten alle unsere Telefone angezapft.Besser von irgendwo draußen, von Ihrem Büro aus, auf sein Handy, das ist offenbar schwerer abzuhören. Ich kann hier nicht weg. Deshalb bitte ich Sie.«
»Geben Sie mir die Nummer und sagen Sie mir, was ich mitteilen soll«, sagte Felícito. »Ich rufe vom Büro aus an, noch heute Nachmittag. Sehr gern, Armida.«
Als er dann, nachdem er erneut unter Rempeleien die Mauer der Journalisten durchbrochen hatte, über die Calle Arequipa zu seinem Büro ging, sagte sich Felícito Yanaqué, dass Armidas Erzählung nach einem dieser Abenteuerfilme klang, die er, wenn er mal ins Kino ging, so gerne sah. Mit dem wirklichen Leben hatten all diese schauerlichen Dinge nichts zu tun. Ja, sowohl Armidas Geschichte wie auch seine eigene, seit dem ersten Brief mit der kleinen Spinne, waren letztlich nichts anderes als irgendwelche Filme mit viel Action.
Bei Transportes Narihualá zog er sich in eine ruhige Ecke zurück, wo er telefonieren konnte, ohne dass Josefita ihn hörte. Gleich antwortete eine Männerstimme, die erst einmal verstummte, als er nach Señor Don Rigoberto fragte. »Wer möchte ihn denn sprechen?«, fragte die Stimme.
»Eine Freundin«, sagte Felícito.
»Ja, am Apparat. Welche Freundin?«
»Eine Freundin von Ihnen, ihren Namen möchte sie nicht nennen, aus Gründen, die Sie verstehen werden«, antwortete Felícito. »Ich nehme an, Sie wissen, um wen es sich handelt.«
»Ja, ich denke schon«, und nach einem Räuspern: »Geht es ihr gut?«
»Ja, sehr gut, sie lässt Sie grüßen. Sie würde gerne mit Ihnen sprechen. Persönlich, wenn das möglich ist.«
»Aber selbstverständlich«, sagte der Herr sogleich. »Sehr gerne. Wie sollen wir es machen?«
»Könnten Sie in den Heimatort Ihrer Freundin kommen?«
Es folgte eine lange Stille, nur ein erneutes umständliches Räuspern war zu hören.
»Könnte ich, wenn es nicht anders geht«, sagte er schließlich. »Und wann wäre das?«
»Wann Sie möchten«, antwortete Felícito. »Je eher, desto besser, klar.«
»Verstehe. Ich kümmere mich sofort um die Tickets. Noch heute.«
»Ich reserviere Ihnen ein Hotelzimmer«, sagte Felícito. »Könnten Sie mich auf mein Handy anrufen, sobald der Reisetermin feststeht? Nur ich benutze es.«
»Gut, so machen wir es«, verabschiedete sich Señor Don Rigoberto. »Es war mir eine Freude, bis bald, mein Herr.«
Den ganzen Nachmittag arbeitete Felícito Yanaqué in seinem Büro. Immer wieder kam ihm Armidas Geschichte in den Sinn, und er fragte sich, was daran wohl stimmte und was übertrieben war. Konnte es sein, dass ein reicher Mann, Inhaber einer großen Firma, tatsächlich sein Dienstmädchen heiratete? Es wollte ihm nicht in den Kopf. Aber war das so viel unwahrscheinlicher, als dass ein Sohn seinem Vater die Geliebte ausspannte und alle beide ihn erpressten, um ihn auszunehmen? Die Habgier vernebelte den Menschen die Sinne, das war bekannt. Als es schon dunkel wurde, erschien Dr. Hildebrando Castro Pozo im Büro, mit einem dicken Stoß Unterlagen in einer limonengrünen Mappe.
»Wie Sie sehen, habe ich nicht lange gebraucht, Don Felícito«, sagte er und reichte sie ihm. »Das sind die zu unterschreibenden Dokumente, ich habe jeweils ein Kreuzchen gemacht. Wenn er nicht ganz dumm ist, wird er es erfreut tun.«
Felícito sah sie sorgfältig durch, stellte ein paar Fragen, die
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