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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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dieser Jugoslawen, die zum Bau der Bewässerungskanäle am Río Chira kamen. Aber sie ist sich nicht sicher. Es kann aucheiner dieser weißen Hungerleider gewesen sein, die in der Pension El Algarrobo landeten und ebenfalls durch ihr Bett zogen. Nimm es zur Kenntnis, Miguel. Ich bin nicht dein Vater, und nicht mal deine Mutter weiß, von wem der Same ist, der dich gezeugt hat. Du bist also einer der vielen Siebensamen in Piura, so einer, wie die Wäscherinnen oder Schäferinnen sie gebären, mit denen die Soldaten an den Tagen, wenn sie sich besaufen, rudeln. Ein Siebensamen, Miguel, genau das bist du. Und was du getan hast, wundert mich nicht bei all dem verschiedenen Blut, das durch deine Adern fließt.«
    Er schwieg, weil der Kopf mit den zerwühlten blonden Haaren sich mit einem Ruck erhoben hatte. Er sah die blauen, von Blut und Hass unterlaufenen Augen. Gleich fällt er über mich her, dachte Felícito, wird versuchen, mich zu erwürgen. Auch Sergeant Lituma musste es gedacht haben, denn er trat vor und stellte sich, die Hand am Holster, schützend neben ihn. Doch Miguel schien unfähig zu reagieren. Tränen rannen ihm über die Wangen, seine Hände und sein Mund zitterten. Er war leichenblass. Er wollte etwas sagen, aber die Worte kamen ihm nicht über die Lippen, und immer wieder entfuhr seinem Körper ein Bauchgeräusch, wie ein Aufstoßen oder Erbrechen.
    Felícito Yanaqué sprach weiter, mit derselben beherrschten Kälte, mit der er seine lange Rede gehalten hatte:
    »Ich bin noch nicht fertig. Ein wenig Geduld. Heute ist das letzte Mal, dass wir uns sehen, zum Glück für dich und für mich. Ich lasse dir die Mappe hier. Lies aufmerksam jedes einzelne Schriftstück durch. Mein Anwalt hat sie für dich vorbereitet, Doktor Hildebrando Castro Pozo, du kennst ihn. Wenn du einverstanden bist, unterschreib auf jeder Seite, wo ein Kreuzchen ist. Er lässt die Mappe morgen abholen und kümmert sich um die Formalitäten bei Gericht. Es geht um etwas sehr Einfaches. Einen Identitätswechsel, so heißt das. Du wirst auf den Nachnamen Yanaqué verzichten, der dir ohnehin nicht gehört. Du kannst den deiner Mutter behalten oder dir einen beliebigen ausdenken. Im Gegenzug werde ich alleAnzeigen zurückziehen, die ich gegen den Verfasser der Briefe mit der Spinne, gegen den Urheber des Brandes bei Transportes Narihualá und wegen der vorgetäuschten Entführung von Mabel erstattet habe. Gut möglich, dass du dir so ein paar Jährchen Gefängnis ersparst und freikommst. Aber eins ist klar: Sobald sie dich freilassen, verschwindest du aus Piura. Nie wieder setzt du einen Fuß auf diesen Boden, wo alle Welt weiß, dass du ein Verbrecher bist. Außerdem würde dir hier sowieso keiner eine anständige Arbeit geben. Ich will nicht, dass du mir noch einmal über den Weg läuft. Bis morgen hast du Zeit, es dir zu überlegen. Wenn du nicht unterschreiben willst, ist das deine Sache. Dann geht das Verfahren weiter, und ich werde alles tun, damit du eine langjährige Haftstrafe bekommst. Es ist deine Entscheidung. Ein Letztes noch. Deine Mutter hat dich nicht besucht, weil sie dich auch nicht mehr sehen will. Ich habe sie nicht darum gebeten, es war ihre Entscheidung. Das ist alles. Wir können gehen, Sergeant. Möge Gott dir vergeben, Miguel. Ich werde es niemals.«
    Er warf Miguel die Dokumente vor die Füße und wandte sich, gefolgt von Sergeant Lituma, zur Tür. Miguel stand immer noch reglos da, die Augen voller Hass und Tränen, mit bebenden Lippen, ohne einen Laut von sich zu geben, als wäre ein Blitz in ihn gefahren und hätte ihn jeder Bewegung, der Sprache und des Verstandes beraubt, die grüne Mappe vor sich auf dem Boden. Dieses Bild, dachte Felícito, wird das letzte sein, das mir von ihm im Gedächtnis bleibt. Schweigend gingen sie zum Ausgang des Gefängnisses. Das Taxi wartete. Während das klapprige Ding durch die Umgebung von Piura schaukelte, hin zum Revier an der Avenida Sánchez Cerro, um Lituma abzusetzen, sprachen sie weiterhin kein Wort. Als sie in die Stadt kamen, war der Sergeant der Erste, der den Mund aufmachte:
    »Dürfte ich Ihnen noch etwas sagen, Don Felícito?«
    »Sagen Sie einfach, Sergeant.«
    »Ich hätte nie gedacht, dass man etwas so Ungeheuerliches sagen kann, wie Sie es eben im Gefängnis zu Ihrem Sohn gesagt haben. Mir ist das Blut in den Adern gefroren, das schwöre ich.«
    »Er ist nicht mein Sohn.« Felícito Yanaqué hob die Hand.
    »Bitte um Entschuldigung, ich weiß«, sagte der

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