Ein diskreter Held
angenehmer noch zu wissen, dass er ihnen eine saftige Niederlage beigebracht hatte: Diese Schlafmützen hatten nichts davon mitbekommen, dass Armida, das vermeintliche Entführungsopfer, die von der peruanischen Presse so verbissen gesuchte Person, sich eine ganze Woche lang – sieben Tage und sieben Nächte! – in seinem Haus versteckt hatte, direkt vor ihrer Nase und ohne dass sie es ahnten. Nur schade, dass sie es nie erfahren würden, es wäre die Meldung des Jahrhunderts gewesen. Denn in der überfüllten Pressekonferenz, die Armida vor unzähligen Kameras, Mikrofonen und Blitzlichtern in Lima gab, flankiert vom Innenminister undvom Polizeichef, enthüllte sie nicht, dass sie zu ihrer Schwester Gertrudis nach Piura geflüchtet war. Sie deutete nur vage an, sie habe sich bei Vertrauten einquartiert, um der Belagerung durch die Journalisten zu entkommen, sie habe am Rande eines Nervenzusammenbruchs gestanden. Felícito verfolgte die Konferenz zusammen mit seiner Frau im Fernsehen, und er war beeindruckt, mit welcher Ungezwungenheit seine Schwägerin auf die Fragen antwortete, ohne sich zu verhaspeln, ohne zu schluchzen, mit ruhiger und schöner Stimme. Ihre Bescheidenheit und Einfachheit nahm die öffentliche Meinung weithin für sie ein, und seither war man weniger geneigt, an das von Ismael Carreras Söhnen in Umlauf gebrachte Bild einer habgierigen und berechnenden Circe zu glauben.
Die Aktion, Armida aus Piura hinauszubringen, heimlich um Mitternacht und in einem Wagen von Transportes Narihualá mit seinem Sohn Tiburcio am Steuer, hatten sie perfekt geplant und ausgeführt, und niemand, angefangen bei den Polizisten bis hin zu den Journalisten, bemerkte etwas. Zuerst wollte Armida einen gewissen Narciso aus Lima kommen lassen, den ehemaligen Chauffeur ihres verstorbenen Mannes, zu dem habe sie großes Vertrauen; doch Felícito und Gertrudis überzeugten sie davon, dass den Wagen besser Tiburcio fuhr, er sei ein hervorragender Fahrer, sehr diskret und letzten Endes ihr Neffe. Don Rigoberto, der sie immer wieder ermutigte, sobald wie möglich nach Lima zurückzukehren und an die Öffentlichkeit zu treten, zerstreute schließlich Armidas Bedenken.
Alles klappte wie am Schnürchen. Don Rigoberto, seine Frau und ihr Sohn flogen nach Lima zurück, und ein paar Tage später kam Tiburcio, der gerne eingewilligt hatte, zur vereinbarten Uhrzeit zum Haus in der Calle Arequipa. Armida verabschiedete sich mit Küssen, Tränen und großem Dank. Nach zwölf Stunden Fahrt ohne jeden Zwischenfall war sie wieder in Lima, in ihrem Haus in San Isidro, wo ihr Anwalt, ihre Leibwächter und Vertreter der Behörden sie erwarteten, welche glücklich verkündeten, die Witwe von Don Ismael Carrera seinach acht Tagen mysteriösen Verschwindens unversehrt wieder aufgetaucht.
Als Felícito nun zu seinem Büro an der Avenida Sánchez Cerro kam, machten sich die ersten Busse, Lieferwagen und Sammeltaxis des Tages bereit, um in alle Provinzen von Piura und nach Tumbes und Lambayeque zu fahren. Die Kundschaft aus den guten Zeiten hatte wieder zu Transportes Narihualá zurückgefunden, denn die Menschen, die dem Unternehmen den Rücken kehrten aus Angst, einer Gewalttat der Erpresser mit der Spinne und mutmaßlichen Entführer zum Opfer zu fallen, vergaßen die Sache irgendwann und vertrauten wieder auf den guten Service seiner Fahrer. Schließlich hatte er auch eine Vereinbarung mit der Versicherung treffen können, welche die Kosten für die Behebung der Brandschäden zur Hälfte übernahm. Bald würden die Reparaturarbeiten beginnen. Und die Banken gaben ihm, wenn auch tröpfchenweise, wieder Kredit. So kehrte Tag um Tag die Normalität wieder ein. Erleichtert atmete er auf: Heute würde er den Schlussstrich unter diese unselige Sache ziehen.
Den ganzen Morgen beschäftigte er sich mit den üblichen Dingen, sprach mit Mechanikern und Fahrern, zahlte ein paar Rechnungen, legte Geld ein, diktierte Josefita Briefe, trank zwei Tassen Kaffee, und um halb zehn nahm er die von Dr. Hildebrando Castro Pozo vorbereitete Mappe und ging zum Revier, um Sergeant Lituma abzuholen. Der erwartete ihn schon am Eingang. Ein Taxi brachte sie zum Männergefängnis Río Seco, außerhalb der Stadt.
»Sind Sie nervös?«, fragte der Sergeant während der Fahrt.
»Ich glaube, nicht, nein«, antwortete er zögernd. »Aber warten wir, bis ich ihn vor mir habe. Man weiß nie.«
Im Gefängnis führte man sie zur Schleuse. Ein paar Polizisten durchsuchten
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