Ein diskreter Held
Felícito nach Waffen. Der Anstaltsleiter persönlich, ein gebückter und düster blickender Mann in Hemdsärmeln, der schleppend sprach und schlurfte, führte sie in einen kleinen Raum, gesichert durch eine dicke Holztür und ein Gitter. Die Wände waren voller Kritzeleien, obszöner Zeichnungen und derber Wörter. Kaum traten sie über die Schwelle, erkannte Felícito Miguel, er stand in der Mitte des Zimmers.
Nur wenige Wochen hatte er ihn nicht gesehen, aber der Junge hatte sich bemerkenswert verändert. Er sah nicht nur dünner und älter aus, was vielleicht daher rührte, dass seine blonden Haaren, ganz zerwühlt, gewachsen waren und ein Bart sein Gesicht verschattete; auch seine Züge, sonst so jugendlich und frisch, hatten etwas Trübes, Erschöpftes, es war der Ausdruck eines Menschen, der, weil er um seine Niederlage weiß, allen Schwung und selbst den Lebenswillen verloren hat. Die größte Veränderung aber lag in seiner Kleidung. Er, der sich, anders als Tiburcio, welcher Tag und Nacht in den Bluejeans und Guayaberas der Fahrer und Automechaniker herumlief, sonst immer mit der grellen Eitelkeit eines Vorstadtcasanovas herausputzte, trug nun ein über der Brust offenes Hemd, dem alle Knöpfe fehlten, eine fleckige, zerknitterte Hose und dreckverkrustete Schuhe ohne Schnürsenkel. Socken hatte er auch nicht.
Felícito sah ihm fest in die Augen. Miguel hielt seinem Blick nur wenige Sekunden stand, dann blinzelte er, senkte den Kopf und starrte auf den Boden. Erst jetzt, dachte Felícito, fiel ihm auf, dass er Miguel kaum bis zur Schulter reichte, der Junge überragte ihn um mehr als einen Kopf. Sergeant Lituma blieb an der Wand stehen, ganz still, angespannt, als wollte er nicht gesehen werden. Im Raum gab es zwei kleine Metallstühle, doch keiner der drei setzte sich. Spinnweben hingen an der Decke, zwischen den Flüchen an den Wänden und all den Fotzen und Schwänzen. Es stank nach Pisse. Der Häftling trug keine Handschellen.
»Ich bin nicht gekommen, um dich zu fragen, ob du bereust, was du getan hast«, sagte Felícito schließlich, seine Augen auf dem schmutzigen Haargestrüpp einen Meter entfernt, und er war froh, dass seine Stimme fest klang und nicht die Wut verriet, die in ihm brodelte. »Das regelst du da oben, wenn du stirbst.«
Er machte eine Pause, atmete tief durch. Er hatte sehr leise gesprochen, und als er fortfuhr, wurde er lauter:
»Ich bin wegen etwas anderem hier, und das spielt für mich eine sehr viel größere Rolle. Mehr als die Spinnenbriefe, mehr als deine Erpressung, mehr als die vorgetäuschte Entführung mit Mabel, mehr als der Brand in meinem Büro.« Miguel stand reglos da, immer noch mit gesenktem Kopf, und auch Sergeant Lituma rührte sich keinen Millimeter. »Ich bin hier, um dir zu sagen, dass ich froh bin über das Geschehene. Dass du getan hast, was du getan hast. Denn so habe ich die große Ungewissheit meines Lebens geklärt. Du weißt, welche ich meine, ja? Es muss dir in den Kopf gekommen sein, wann immer du dein Gesicht im Spiegel gesehen und dich gefragt hast, warum du wie ein Weißer guckst, wo ich und deine Mutter Cholos sind. Auch ich habe mir diese Frage gestellt. Bis jetzt habe ich sie heruntergeschluckt, habe nicht nachgehakt, um weder deine noch Gertrudis’ Gefühle zu verletzen. Aber jetzt gibt es keinen Grund mehr, auf dich Rücksicht zu nehmen. Ich habe das Rätsel gelöst. Deshalb bin ich hier. Um dir etwas zu sagen, was dich genauso freuen wird wie mich. Du bist nicht mein Sohn, Miguel. Du warst es nie. Deine Mutter und die Dragonerin, die Mutter deiner Mutter, deine Großmutter, haben mir, als sie feststellten, dass Gertrudis schwanger war, weisgemacht, ich sei der Vater, um mich zur Heirat zu zwingen. Sie haben mich reingelegt. Ich war es nicht. Ich habe Gertrudis nur geheiratet, weil ich ein anständiger Mensch bin. Die Frage ist jetzt geklärt. Deine Mutter hat sich mit mir ausgesprochen und alles gestanden. Und das freut mich, Miguel. Ich wäre vor Traurigkeit gestorben, wenn ein Sohn von mir, ein Sohn von meinem eigenen Blut, getan hätte, was du mir angetan hast. Jetzt bin ich beruhigt und sogar froh. Es war kein Sohn von mir, sondern ein Bastard, ein Bankert. Was für eine Erleichterung, dass es nicht mein Blut ist, das unverdorbene Blut meines Vaters, das durch deine Adern fließt. Noch etwas, Miguel. Nicht mal deine Mutter weiß, wer der Mann war, der sie geschwängert hat und dem du dein Leben verdankst. Sie sagt, vielleicht einer
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