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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Yanaqué«, Hauptmann Silva zuckte die Achseln und schaute ihn mitleidig an. »Weil sie Ihnen gefolgt sind, zum Beispiel. Weil sie Sie kennen und wissen, dass Sie kein Mann sind, der sich erpressen lässt. Dass Sie zur Polizei gehen und die Erpressung anzeigen. Oder weil es ihnen jemand gesagt hat, dem Sie erzählt haben, dass Sie zur Polizei gegangen sind und Anzeige erstattet haben. Oder weil, wer weiß, wir die Verfasser dieser anonymen Briefe sind, die Kanaillen, die Sie erpressen wollen. Daran haben Sie auch gedacht, nicht wahr? Wahrscheinlich sind Sie deshalb so schlecht gelaunt. Che guá , wie Ihr Piuraner hier sagt.«
    Felícito hätte am liebsten ja gesagt, beherrschte sich aber. Er war jetzt wütender auf die beiden Polizisten als auf die Verfasser der Briefe mit der kleinen Spinne.
    »Hing der auch an Ihrer Haustür?«
    Sein Gesicht glühte, als er antwortete und dabei versuchte, sich seine Verlegenheit nicht anmerken zu lassen:
    »Man hat ihn an die Haustür einer Person gesteckt, die ich besuche.«
    Lituma und Hauptmann Silva wechselten einen kurzen Blick.
    »Das heißt, dass man Ihr Leben bestens kennt, Herr Yanaqué.« Hauptmann Silva sprach mit maliziöser Langsamkeit. »Diese Schlauköpfe wissen sogar, wen Sie besuchen. Wie es aussieht, haben sie gute Detektivarbeit geleistet. Woraus wir schließen können, dass es Profis sind, keine Amateure.«
    »Und was passiert jetzt?«, fragte Felícito. An die Stelle der Wut war ein Gefühl von Traurigkeit und Ohnmacht getreten. Das war doch ungerecht, grausam, was mit ihm passierte. Wofür bestrafte man ihn dort oben? Was hatte er Böses getan, gütiger Gott?
    »Nun, jetzt werden sie versuchen, Ihnen einen Schrecken einzujagen, um sie weichzukochen«, erklärte der Hauptmann, als spräche er davon, wie lau der Abend sei. »Um Sie glauben zu machen, dass sie mächtig und unantastbar sind. Und schwups, schon haben sie ihren ersten Fehler begangen. Dann heften wir uns ihnen an die Fersen. Geduld, Herr Yanaqué. Auch wenn Sie es nicht glauben, aber die Dinge sind auf einem guten Weg.«
    »Das ist leicht gesagt, wenn man es vom Logenplatz aus betrachtet«, antwortete Felícito. »Nicht, wenn man Drohungen erhält, die einem das Leben auf den Kopf stellen. Ich soll Geduld haben, während diese Verbrecher etwas gegen mich und meine Familie planen, um mich weichzukriegen?«
    »Bring dem Herrn Yanaqué doch bitte ein Glas Wasser, Lituma«, sagte Hauptmann Silva zum Sergeanten. »Nicht dass er uns noch in Ohnmacht fällt. Sonst heißt es, wir verletzen die Menschenrechte eines angesehenen Unternehmers von Piura.«
    Das war kein Scherz, was dieser Bursche da sagte, dachte Felícito. Ja, er konnte einen Herzinfarkt bekommen und dann steif dort liegen, auf diesem schmutzigen Boden voller Kippen. Trauriger Tod, auf einem Revier, gestorben vor Enttäuschung, und alles wegen irgendwelcher Arschlöcher ohne Gesicht und ohne Namen, die mit ihm spielten und kleine Spinnen zeichneten. Er musste an seinen Vater denken und war gerührt bei der Erinnerung an sein immer ernstes, hartes, geschliffenes Gesicht, wie mit dem Messer gehauen, an sein struppiges Haar und seinen zahnlosen Mund. »Was soll ich tun, Vater? Ich weiß, mich nicht herumschubsen lassen, ihnen keinen Centavo geben von dem, was ich mir ehrlich verdient habe. Aber welchen anderen Rat würden Sie mir geben, wenn Sie noch lebten? Dasitzen und warten, bis der nächste anonyme Brief kommt? Das zerreißt meine Nerven, Vater.« Warum hatte er immer Vater und nie Papa zu ihm gesagt? Nicht einmal in diesen heimlichen Zwiegesprächen, die er mit ihm führte, traute er sich, ihn zu duzen. Genau wie seine Kinder. Denn weder Tiburcio noch Miguel hatten je du zu ihm gesagt. Nur zu ihrer Mutter, die duzten sie.
    »Fühlen Sie sich besser, Herr Yanaqué?«
    »Ja, danke.« Er trank noch ein Schlückchen Wasser aus dem Glas, das der Sergeant ihm gebracht hatte, und stand auf.
    »Informieren Sie uns, sobald es etwas Neues gibt«, sagte der Hauptmann zum Abschied. »Und vertrauen Sie uns. Ihr Fall ist jetzt unser Fall, Herr Yanaqué.«
    Die Worte des Offiziers klangen in seinen Ohren immer noch ironisch. Als er aus dem Revier trat, war er zutiefst deprimiert. Den ganzen Weg über die Calle Arequipa nach Hause ging er langsam, dicht an den Häusern entlang. Er hatte das unangenehme Gefühl, dass jemand ihm folgte, jemand, den der Gedanke amüsierte, ihn in Zweifel und Ungewissheit zu stürzen und nach und nach zu zerstören, irgend so

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