Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
Vom Netzwerk:
ein Siebensamen, der sich ganz sicher war, dass er ihn früher oder später zugrunde richtete. »Aber da hast du dich geirrt«, murmelte er.
    Gertrudis war überrascht, dass er so früh nach Hause kam. Sie fragte ihn, ob der Vorstand des Verbands der Bus- und Fuhrunternehmer von Piura, dem Felícito angehörte, das freitägliche Abendessen im Club Grau abgesagt habe. WussteGertrudis von Mabel? Unwahrscheinlich, dass nicht. Aber in diesen acht Jahren hatte sie nie auch nur zu erkennen gegeben, dass es so war: keine Klage, keine Szene, keine Stichelei, keine Andeutung. Es konnte nicht sein, dass kein Gerede bis zu ihr gedrungen war, kein Gerücht, wonach er eine Geliebte hätte. War Piura nicht ein Dorf? Jeder wusste über jeden Bescheid, erst recht, wenn es um Bettgeschichten ging. Vielleicht wusste sie es und ließ sich nichts anmerken, um keinen Streit anzufangen und sich Ärger zu ersparen. Aber bei dem klösterlichen Leben, das seine Frau führte, ohne Verwandte und wo sie nur auf die Straße trat, um zur Messe zu gehen, zu einer Novene oder der Rosenkranzandacht in der Kathedrale, da war es nicht ausgeschlossen, dass sie von nichts etwas mitbekommen hatte.
    »Ich bin früher gekommen, weil ich mich nicht wohlfühle. Ich glaube, ich habe mich erkältet.«
    »Dann hast du ja noch nichts gegessen. Soll ich dir etwas kochen? Ich mache es selbst, Saturnina ist schon gegangen.«
    »Danke, ich habe keinen Hunger. Ich sehe ein bisschen fern und lege mich dann ins Bett. Gibt es was Neues?«
    »Meine Schwester Armida hat geschrieben, aus Lima. Wie es aussieht, heiratet sie.«
    »Ah, schön, dann sollten wir ihr ein Geschenk schicken.« Felícito wusste nicht einmal, dass Gertrudis eine Schwester unten in der Hauptstadt hatte. Tolle Nachricht. Er versuchte sich zu erinnern. Ob es vielleicht dieses kleine Mädchen ohne Schuhe war, erst ein paar Jahre alt, das in der Pension El Algarrobo herumtollte, wo er seine Frau kennengelernt hatte? Nein, dieses Kind war die Tochter eines Lkw-Fahrers namens Argimiro Trelles, später verwitwet.
    Gertrudis nickte und ging auf ihr Zimmer. Seit Miguel und Tiburcio ausgezogen waren, hatten Felícito und seine Frau getrennte Schlafzimmer. Er sah, wie die formlose Gestalt seiner Frau in dem dunklen Hof verschwand, an dem die Schlafzimmer lagen, das Esszimmer, das kleine Wohnzimmer und die Küche. Er hatte sie nie so geliebt, wie man eine Frau liebt, aber er mochte sie, ein Gefühl nicht frei von Mitleid,denn auch wenn Gertrudis sich nicht beklagte, musste sie doch frustriert sein bei einem so kalten und lieblosen Mann. Es konnte gar nicht anders sein in einer Ehe, die nicht einer Verliebtheit entsprungen war, sondern einem Besäufnis und einer Nacht im Bett. Aber wer weiß. Es war ein Thema, das Felícito, auch wenn er alles tat, um es zu verdrängen, immer wieder in Erinnerung kam und ihm den Tag verdarb. Gertrudis war die Tochter der Wirtin der Pension El Algarrobo gewesen, einer billigen Herberge an der Calle Ramón Castilla, in der Gegend, die damals die ärmste von El Chipe gewesen war, viele Lastwagenfahrer stiegen dort ab. Felícito hatte mit ihr geschlafen, fast ohne dass er es selber wahrnahm, an zwei fidelen Abenden mit viel Schnaps. Er tat es einfach so, weil sie da war und eine Frau, nicht weil das Mädchen ihm gefallen hätte. Sie gefiel niemandem, wem sollte dieses halb schielende, schlampige kleine Weib schon gefallen, das immer nach Knoblauch und Zwiebeln stank. Und bei einem dieser beiden Ficks ohne Liebe und fast ohne Lust war Gertrudis schwanger geworden. Das zumindest sagten sie und ihre Mutter. Die Pensionswirtin, Doña Luzmila, welche die Fahrer die Dragonerin nannten, zeigte Felícito bei der Polizei an. Er musste aufs Revier, und vor dem Kommissar erkannte er an, dass er mit einer Minderjährigen geschlafen hatte. Er willigte ein, sie zu heiraten, weil ihn das Gewissen plagte, ein Kind von ihm könnte geboren werden, ohne anerkannt zu sein, und weil er die Geschichte glaubte. Später, als Miguelito auf die Welt kam, begannen die Zweifel. War er wirklich sein Sohn? Nie fragte er Gertrudis danach, das verstand sich, und er sprach auch weder mit Adelaida noch mit sonst wem davon. Aber in all den Jahren hatte er mit dem Verdacht gelebt, dass er es nicht war. Denn nicht nur Felícito schlief mit der Tochter der Dragonerin bei diesen samstäglichen Sausen in der Pension El Algarrobo. Miguel ähnelte ihm in nichts, er war ein Junge mit weißer Haut und hellen Augen. Warum

Weitere Kostenlose Bücher