Ein diskreter Held
Schrecken geweitet. Er hatte sich den Hut abgenommen, und seine Haare waren zerwühlt, als hätte er vergessen, sich zu kämmen. Er, der immer so korrekt angezogen war, hatte sich die Weste falsch zugeknöpft, der erste Knopf im zweiten Loch. Er sah ungepflegt aus, lächerlich, eine Clownsfigur. Unfähig, den Gruß zu erwidern, zog er nur einen Umschlag hervor und hielt ihn demHauptmann mit zitternder Hand hin. Er schien so klein und zerbrechlich wie noch nie, fast wie ein Zwerg.
»Scheiße«, zischte der Kommissar, nahm den Brief und las laut vor:
Sehr geehrter Herr Yanaqué,
wir haben Ihnen gesagt, dass Ihre Sturheit und Ihre Provokation in El Tiempo unangenehme Folgen haben werden. Wir haben Ihnen gesagt, dass Sie Ihre Weigerung, vernünftig zu sein und sich mit uns zu verständigen, bedauern werden, wo wir nur Ihr Geschäft schützen und Ihrer Familie Sicherheit geben wollen. Unser Wort haben wir immer gehalten. Wir haben einen ihrer liebsten Menschen in unserer Gewalt, und wir werden ihn so lange festhalten, bis Sie einlenken und sich mit uns verständigen.
Wir wissen, dass Sie es nicht lassen können, zur Polizei zu gehen und sich zu beschweren, als würde das etwas nützen. Aber wir nehmen an, dass Sie diesmal zu ihrem eigenen Wohl die gebührende Diskretion wahren werden. Niemandem hilft es, wenn bekannt wird, dass wir diese Person haben, vor allem wenn Sie nicht möchten, dass sie infolge einer weiteren Unvorsichtigkeit Ihrerseits leidet. Die Sache muss unter uns bleiben und so diskret und schnell wie möglich geklärt werden.
Da Sie sich so gerne der Zeitung bedienen, geben Sie eine Anzeige in El Tiempo auf und danken Sie dem Gefangenen Christus von Ayabaca für das Wunder, um das Sie ihn gebeten haben. Dann wissen wir, dass Sie mit den vorgeschlagenen Bedingungen einverstanden sind. Und die betreffende Person kehrt sofort unversehrt nach Hause zurück. Andernfalls kann es sein, dass Sie nie wieder von ihr hören.
Gott befohlen.
Lituma konnte es nicht sehen, erriet aber die kleine Spinne, die den Brief unterzeichnete.
»Wen haben sie entführt, Herr Yanaqué?«, fragte Hauptmann Silva.
»Mabel«, sagte der Unternehmer mit erstickter Stimme. Lituma sah, wie die Augen dieses Männleins feucht wurden, und dicke Tränen rannen ihm über die Wangen.
»Setzen Sie sich, Don Felícito.« Der Sergeant überließ ihm seinen Stuhl und half ihm, Platz zu nehmen.
Als Felícito saß, legte er das Gesicht in die Hände. Er weinte leise, fast lautlos. Sein schmächtiger Körper zuckte immer wieder. Er tat Lituma leid. Armer Mann, jetzt hatten diese Dreckskerle doch einen Weg gefunden, ihn weichzukriegen. Das durfte doch nicht wahr sein, so eine Ungerechtigkeit.
»Eins kann ich Ihnen versichern, Don Felícito.« Der Hauptmann schien ebenfalls gerührt. »Die werden Ihrer Freundin nichts antun. Die wollen Ihnen bloß Angst einjagen. Sie wissen, dass es nicht gut für sie wäre, wenn sie Mabel auch nur ein Härchen krümmen. Dass sie jemanden in Händen haben, der unantastbar ist.«
»Armes Mädchen«, stammelte Felícito Yanaqué unter Hicksern. »Es ist meine Schuld, ich habe sie in die Sache hineingezogen. Was wird jetzt aus ihr, mein Gott, das verzeihe ich mir nie.«
Lituma sah, wie das pausbäckige, von einem Bartschatten bedeckte Gesicht Hauptmann Silvas von Mitleid in Wut umschlug und wieder in Mitleid, sah, wie er den Arm ausstreckte, Don Felícito auf die Schulter klopfte und ihm, sich zu ihm beugend, mit fester Stimme sagte:
»Ich schwöre Ihnen beim Heiligsten, das ich habe, und das ist das Andenken meiner Mutter, dass Mabel nichts passieren wird. Wir werden sie Ihnen unversehrt zurückbringen. Bei meiner allerheiligsten Mutter, ich werde diesen Fall aufklären, und diese Arschlöcher werden es teuer bezahlen. Solche Schwüre tue ich sonst nie, Don Felícito. Sie sind ein tapferer Mann, das sagt ganz Piura. Werden Sie jetzt um alles in der Welt nicht schwach.«
Lituma war beeindruckt. Es stimmte, was der Kommissar sagte, nie tat er einen Schwur wie eben. Und er spürte, wie er wieder Mut fasste: Er würde es tun, sie würden es tun. Sie würden ihm helfen. Und diesen Dreckskerlen würde es noch leidtun, dass sie dem armen Mann so übel mitgespielt hatten.
»Ich werde nicht schwach, niemals«, stammelte Don Felícito und trocknete sich die Tränen.
VIII
Miki und Schlaks kamen auf die Minute pünktlich um elf Uhr am Vormittag. Lucrecia selbst öffnete ihnen, und sie grüßten sie mit einem Kuss
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