Ein diskreter Held
nehmen. Don Felícito kenne ich schon lange. Wir reparieren seine Busse und Lastwagen und machen die Inspektion. Ich habe ihm ein paar Zeilen geschrieben und gratuliert für seinen Brief in El Tiempo .«
Er stieß Lituma kurz an und deutete auf die Litzen an seinen Schulterklappen.
»Ihr habt die Pflicht, diesen Mann zu beschützen, Cousin. Es wäre eine Tragödie, wenn die Mafia einen Killer schickt und Felícito umbringt. Du hast ja gesehen, wie sie schon sein Büro abgebrannt haben.«
Der Sergeant schaute ihn an, nickte. So viel Empörung und Bewunderung konnten nicht gespielt sein, er selbst hatte sich geirrt. Was José da mit dem Fingernagel malte, waren keine Spinnen, sondern bloß Striche. Eine zufällige Übereinstimmung, wie so oft. Aber in dem Moment versetzte das Gedächtnis ihm einen weiteren Schlag, denn hell erstrahlend erinnertees ihn, mit einer Deutlichkeit, dass er zitterte, daran, dass derjenige, der in Wahrheit von Kindesbeinen an ständig mit dem Bleistift, mit kleinen Zweigen oder Messern diese Sternchen gezeichnet hatte, die wie Spinnen aussahen, sein Cousin José gewesen war, nicht der Zuhälter Josefino. Aber natürlich, ja doch. Das war José. Schon lange, bevor sie Josefino kennenlernten. Äffchen und er hatten ihn oft wegen seiner Manie aufgezogen. Scheiße, Scheiße.
»Wollen wir nicht mal zusammen mit Äffchen essen gehen, Lituma, mittags oder abends? Er wird sich riesig freuen, dich wiederzusehen!«
»Ich mich auch, José. Meine schönsten Erinnerungen habe ich an die Zeit in Piura, klar, als wir immer zusammen waren, die Unbezwingbaren. Die schönste Zeit meines Leben, glaube ich. Damals war ich glücklich. Danach kam das Pech. Außerdem, soweit ich mich erinnere, seid ihr, du und Äffchen, die einzigen Verwandten, dich ich noch habe. Wann immer du möchtest, sagt mir einfach, wann, ich richte mich nach euch.«
»Dann lieber mittags als abends«, sagte José. »Rita, meine Schwägerin, ist unglaublich eifersüchtig, du kannst dir nicht vorstellen, wie. Jedes Mal, wenn Äffchen abends weggeht, macht sie ihm eine Riesenszene. Man könnte meinen, sie verprügelt ihn.«
»Dann also Mittagessen, kein Problem.« Lituma war so aufgeregt, dass er schon fürchtete, José könnte ahnen, was ihm durch den Kopf wirbelte, und unter einem Vorwand verabschiedete er sich.
Auf dem Weg zum Revier war er so atemlos, verwirrt und aufgelöst, dass er kaum wusste, wohin er trat, so dass ihn, als er um eine Ecke bog, beinahe das Dreirad eines Obstverkäufers umgefahren hätte. Hauptmann Silva bemerkte sofort, in welcher Verfassung er war.
»Komm mir nur nicht mit noch mehr Ärger, Lituma, ich habe schon genug am Hals«, und er stand so wütend von seinem Schreibtisch auf, dass die ganze Bude erzitterte. »Was zum Teufel ist los mit dir? Ist jemand gestorben?«
»Gestorben ist der Verdacht, das mit den Spinnen könnte Josefino Rojas gewesen sein«, stammelte Lituma, nahm die Mütze ab und wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. »Jetzt ist der Verdächtige nicht der Zuhälter, sondern mein Cousin José León. Einer der Unbezwingbaren, von denen ich Ihnen erzählt habe, Hauptmann.«
»Willst du mich auf den Arm nehmen, Lituma?«, der Hauptmann war fassungslos. »Könntest du mir bitte sagen, was der Stuss soll.«
Der Sergeant setzte sich so hin, dass der Ventilator ihm ins Gesicht blies. Und haarklein berichtete er dem Kommissar alles, was er am Vormittag erlebt hatte.
»Das heißt, wer mit den Fingernägeln Spinnen ritzt, ist jetzt dein Cousin José«, sagte der Hauptmann verärgert. »Und noch dazu ist er so saudumm, dass er sich vor einem Polizeisergeanten verrät, wo er genau weiß, dass Felícito Yanaqués Spinnen und seine Firma in Piura das Stadtgespräch sind. Wie ich sehe, ist in deinem Kopf ein ziemliches Kuddelmuddel, Lituma.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob er mit den Fingernägeln Spinnen geritzt hat«, entschuldigte sich sein Untergebener zerknirscht. »Auch darin mag ich mich irren, bitte entschuldigen Sie. Für mich ist gar nichts mehr sicher, Hauptmann, nicht einmal der Boden unter meinen Füßen. Ja, Sie haben recht. Mir schwirrt der Kopf.«
»Vor lauter Spinnen«, lachte der Hauptmann. »Und sieh an, wer da kommt. Das fehlte gerade noch. Guten Tag, Herr Yanaqué. Kommen Sie rein.«
Lituma sah ihm sofort an, dass etwas passiert war: Wieder ein Brief der Mafia? Felícito war leichenblass, das Kinn hing idiotisch herab, die übermüdeten Augen waren vor
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