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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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schnell, den Finger in der Luft auf dem Weg zum Mund, »ich glaube, der Moment ist gekommen, dass wir den Stier bei den Hörnern packen. Dass wir zu den traurigen Dingen kommen.«
    Schlaks hielt sich sein halbleeres Glas Mineralwasser an die Lippen und trank mit gurgelnden Geräuschen. Die ganze Zeit kratzte er sich an der Stirn, sein Blick wanderte zwischen seinem Bruder und Rigoberto hin und her.
    »Traurig? Wieso traurig, Miki?« Rigoberto machte ein überraschtes Gesicht. »Was ist los, Jungs? Haben wir wieder mal ein kleines Problem?«
    »Du weißt genau, was los ist, Onkel«, rief Schlaks mit beleidigtem Unterton. »Tu nicht so, bitte.«
    »Meinst du Ismael?« Rigoberto stellte sich dumm. »Ihr wollt, dass wir von ihm sprechen? Von eurem Vater?«
    »Wir sind das Gespött von ganz Lima.« Miki schaute melodramatisch, während er eifrig an seinem kleinen Finger knabberte. Auch beim Sprechen nahm er ihn nicht aus dem Mund, so dass seine Stimme geziert klang. »Du wirst davon gehört haben, denn das haben selbst die Steine. In dieser Stadt wirdüber nichts anderes geklatscht, vielleicht in ganz Peru nicht. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass die Familie einmal einen solchen Skandal erleben muss.«
    »Einen Skandal, den du hättest verhindern können, Onkel Rigoberto«, sagte Schlaks betrübt und schien gleich zu weinen. Und als merkte er erst jetzt, dass sein Glas leer war, stellte er es, mit übertriebener Vorsicht, auf dem Couchtisch ab.
    Erst das Melodram, dann die Drohungen, sagte sich Rigoberto. Er war beunruhigt, das sicher, aber die Neugier wurde immer größer. Echte Knallchargen waren die beiden Zwillinge. Er machte ein aufmerksames und höfliches Gesicht. Er wusste nicht, warum, aber am liebsten hätte er gelacht.
    »Ich?«, tat er verblüfft. »Ich weiß nicht, was du damit sagen willst, Neffe.«
    »Du bist der Mensch, dem Papa immer zugehört hat«, Schlaks sagte es mit großem Nachdruck, »der einzige vielleicht, auf den er immer gehört hat. Das weißt du sehr gut, Onkel, also tu bitte nicht so. Wir sind nicht zum Rätselraten hier. Bitte!«
    »Wenn du ihm einen Rat gegeben hättest, wenn du dich widersetzt und ihm klargemacht hättest, was er da Ungeheuerliches anstellt, hätte es diese Ehe nie gegeben«, sagte Miki und klatschte auf den Tisch. Jetzt hatte er sich schon verändert, die Stimme war umgeschlagen, auf dem Grund seiner hellen Augen wand sich eine kleine Schlange.
    Rigoberto hörte ein Pfeifen vom Malecón heraufschallen: die Flöte das Messerschleifers. Er hörte sie immer zur selben Zeit. Ein pünktlicher Mensch, wer immer es war. Er müsste ihn sich einmal ansehen.
    »Eine Ehe, die außerdem nichts wert ist, nicht die Bohne«, setzte Schlaks hinzu. »Eine Farce ohne jede rechtliche Gültigkeit. Auch das weißt du, Onkel, denn nicht umsonst bist du Jurist. Also, lassen wir die Hosen runter, wenn du nichts dagegen hast, und nennen wir das Kind beim Namen.«
    Was wollte dieser Blödmann ihm sagen, fragte sich Rigoberto. Alle beide benutzten sie ständig Redewendungen, ohne zu wissen, was sie wirklich bedeuteten.
    »Hättest du uns rechtzeitig gesagt, was unser Vater vorhatte, hätten wir die Sache gestoppt, zur Not auch mit der Polizei«, beharrte Miki. Er sprach wieder bemüht traurig, aber er konnte nicht verhindern, dass die Wut durchklang. Seine Augen drohten Rigoberto jetzt.
    »Aber statt uns zu warnen, hast du dich für diese Klamotte hergegeben und sogar als Trauzeuge unterschrieben, Onkel.« Schlaks hob die Hand und schwang sie zornig durch die Luft. »Du hast zusammen mit Narciso unterschrieben. Selbst den Chauffeur, einen armen Analphabeten, habt ihr in diese üble Geschichte hineingezogen. Echt fies, auf diese Weise einen Unwissenden zu missbrauchen. Ehrlich gesagt, das hätten wir von dir nicht erwartet, Onkel Rigoberto. Es will mir nicht in den Kopf, dass du bei einem so dummen Mätzchen mitgemacht hast.«
    »Du hast uns bitter enttäuscht, Onkel«, setzte Miki nach und ruckte hin und her, als wäre ihm der Anzug zu eng. »Das ist die traurige Wahrheit: bit-ter-ent-täuscht. Genau das. Tut mir leid, es dir sagen zu müssen, aber so ist es. Ich sage es dir ganz offen, denn es ist die traurige Wahrheit. Du hast eine riesige Verantwortung für das, was passiert ist, Onkel. Das sagen nicht nur wir. Das sagen auch die Anwälte. Und um Klartext zu reden, du weißt nicht, was dir da blüht. Es könnte sehr böse Folgen haben, für dein Privatleben und auch das andere.«
    Welches

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