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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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schließlich mit erstickter Stimme. Die Umständlichkeit des Hauptmanns und seine heuchlerische Rücksichtnahme irritierten sie. »Sagen Sie mir, weshalb Sie gekommen sind. Ich bin nicht dumm. Verlieren wir nicht unsere Zeit, Señor.«
    »Dann zur Sache, Mabel« sagte der Kommissar wie verwandelt. Seine guten Manieren und seine respektvolle Art waren auf einmal dahin. Er sprach jetzt lauter und schaute sie streng an, von oben herab, geradezu unverschämt. Noch dazu duzte er sie: »Tut mir leid für dich, aber wir wissen alles. Du hast dich nicht verhört, Mabelita. Alles, restlos, von vorn bis hinten. Wir wissen zum Beispiel, dass du schon seit einer ganzen Zeit nicht nur Don Felícito Yanaqué als Geliebten hast, sondern noch ein anderes Früchtchen. Besser aussehend und jünger als der alte Knochen mit dem Hut und der Weste, der dir die nette Hütte hier bezahlt.«
    »Was erlauben Sie sich!«, protestierte Mabel und wurde heftig rot. »Das lasse ich mir nicht bieten! Eine Lüge!«
    »Nicht gleich so frech, lass mich zu Ende reden«, unterbrachen sie die energische Stimme und die drohende Hand von Hauptmann Silva. »Danach kannst du sagen, wozu du Lust hast, kannst heulen und strampeln, so viel du willst. Aber erst mal bist du still. Ich habe hier das Wort, du hältst den Schnabel. Verstanden, Mabelita?«
    Ja, vielleicht sollte sie doch Piura verlassen. Aber der Gedanke, allein zu leben, in einer unbekannten Stadt – bisher war sie nur mal nach Sullana gefahren, nach Lobitos, Paita, Yacila, nie über die Grenzen der Region hinaus, weder nach Norden noch nach Süden und auch nicht in die Berge –, dieser Gedanke nahm ihr allen Mut. Was sollte ihr Herz allein an einem Ort ohne Verwandte oder Freunde? Dort wäre sie noch ungeschützter als hier. Würde sie die ganze Zeit darauf warten, dass Felícito sie besuchte? Sie würde in einem Hotel wohnen, sich von früh bis spät langweilen, nichts anderes tun als fernsehen, wenn es denn einen Fernseher gab, und warten, warten, warten. Aber genauso wenig behagte ihr die Vorstellung, dass Tag und Nacht ein Polizist, ob Mann oder Frau, ihre Schritte überwachte, notierte, mit wem sie sich unterhielt, wen sie grüßte oder wer sie ansprach. Mehr als beschützt fühlte sie sich bespitzelt, und dieses Gefühl beruhigte sie nicht, es verunsicherte sie nur noch mehr.
    Hauptmann Silva schwieg und zündete sich in aller Ruhe eine Zigarette an. Ohne Hast blies er eine Rauchwolke an die Decke, die dann durchs Zimmer waberte und die Luft mit beißendem Tabakgeruch erfüllte.
    »Du wirst sagen, dass dein Privatleben die Polizei nicht zu interessieren hat, und das völlig zu Recht«, sagte der Kommissar schließlich, schnippte die Asche auf den Boden und machte eine Miene zwischen Killer und Philosoph. »Aber nicht dass du zehn oder zwölf Liebhaber hast, besorgt uns. Sondern dass du so verrückt warst, dich mit einem von ihnen zusammenzutun, um Don Felícito Yanaqué zu erpressen, diesen armen Kerl, der dich noch dazu liebt. Dass du so undankbar sein kannst, Mabelita!«
    »Was reden Sie da, was …« Sie stand auf und hob jetzt, empört, bebend, ebenfalls die Stimme, die Faust. »Kein Wort mehr werde ich sagen ohne einen Anwalt. Ich kenne nämlich meine Rechte. Ich …«
    Ein Dickschädel, dieser Felícito! Mabel hätte nie gedacht, dass der alte Knopf eher bereit wäre zu sterben, als den Erpressern das Schutzgeld zu zahlen. Er schien so sanftmütig,so verständnisvoll, und auf einmal bewies er ganz Piura seinen eisernen Willen. Am Tag nach ihrer Freilassung hatten sie ein langes Gespräch geführt. Irgendwann fragte Mabel ihn ganz unverblümt:
    »Wenn die Entführer dir gesagt hätten, sie würde mich töten, falls du das Schutzgeld nicht zahlst, hättest du zugelassen, dass sie mich umbringen?«
    »Du siehst doch, dass es nicht so gekommen ist, mein Schatz«, stammelte Felícito verlegen.
    »Hand aufs Herz«, sagte sie. »Hättest du zugelassen, dass sie mich umbringen?«
    »Und danach hätte ich mich umgebracht«, musste er gestehen, mit zerrissener Stimme und einem so rührenden Gesicht, dass sie mit ihm fühlte. »Verzeih, Mabel. Aber nie und nimmer werde ich einem Erpresser Schutzgeld zahlen. Selbst wenn sie mich töten. Oder was ich am meisten auf der Welt liebe, und das bist du.«
    »Aber du selber hast mir gesagt, dass alle deine Kollegen in Piura zahlen«, erwiderte Mabel.
    »Und viele andere Händler und Geschäftsleute auch, wie es scheint«, sagte Felícito. »Stimmt, das

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