Ein diskreter Held
verrückt nach dir ist. Nur hat es euch nichts genutzt, denn ihr habt nicht mit der Entschlossenheit dieses Mannes gerechnet, sich nicht erpressen zu lassen. Worauf ihr, um ihn weichzukochen, das Büro von Transportes Narihualá an der Avenida Sánchez Cerro angezündet habt. Aber auch das hat euch nichts genutzt.«
»Ich habe es angezündet? Das werfen Sie mir vor? Brandstifterin auch noch?« Mabel versuchte aufzustehen, aber ihre Schwäche oder der aggressive Blick des Hauptmanns hinderte sie daran. Sie ließ sich wieder in den Sessel fallen, eingesunken, die Arme verschränkt. Jetzt war sie nicht nur müde, ihr war heiß, sie schwitzte, spürte, wie es ihr von den Händen troff,Angst und Schweiß. »Ich habe also das Büro von Transportes Narihualá angezündet?«
»Wir haben noch mehr in petto, aber das ist das Gewichtigste, was dich betrifft«, sagte der Hauptmann und wandte sich seelenruhig an seinen Untergebenen. »Na los, Sergeant, dann sag der Señora, für welche Delikte sie verurteilt werden könnte und welche Strafe sie erwartet.«
Lituma setzte sich auf, rutschte hin und her, befeuchtete sich die Lippen, zog ein Blatt Papier aus der Hemdtasche, entfaltete es, räusperte sich. Und las wie ein Schüler, der vor dem Lehrer eine Lektion aufsagt:
»Verabredung zu einer Straftat im Hinblick auf eine Entführung durch Versenden anonymer Briefe und räuberische Erpressung. Verabredung zu einer Straftat im Hinblick auf die Zerstörung eines Geschäftsraums durch Sprengstoff mit Gefahr für benachbarte Häuser, Gewerbe und Personen als erschwerendem Umstand. Aktive Beteiligung an einer vorgetäuschten Entführung, um einen Unternehmer einzuschüchtern und zur Zahlung von Schutzgeld zu nötigen. Verschleierung, Falschaussage und Täuschung der Behörden im Laufe der Ermittlungen zu der angeblichen Entführung.« Und nachdem er das Blatt wieder eingesteckt hatte: »Das wären im Wesentlichen die Anschuldigungen, Hauptmann. Die Staatsanwaltschaft könnte noch einige hinzufügen, weniger schlimme, wie die illegale Ausübung der Prostitution.«
»Und wie hoch könnte die Strafe ausfallen, wenn die Dame verurteilt wird, Lituma?«, fragte der Hauptmann, seine spöttischen Augen auf Mabel gerichtet.
»Zwischen acht und zehn Jahren Gefängnis«, antwortete der Sergeant. »Kommt immer auf die erschwerenden oder mildernden Umstände an, klar.«
»Sie versuchen mir Angst zu machen, aber da täuschen Sie sich«, murmelte Mabel und musste sich anstrengen, damit ihre Zunge, trocken und rau wie die eines Leguans, nicht den Dienst versagte. »Ohne Anwalt werde ich auf keine dieser Lügen antworten.«
» Noch stellt dir niemand Fragen«, Hauptmann Silva grinste. »Das Einzige, was man vorerst von dir will, ist, dass du zuhörst. Verstanden, Mabelita?«
Der böse Blick, mit dem er sie ansah, zwang sie, die Augen zu senken. Mutlos, niedergeschlagen nickte sie.
Mit flatternden Nerven, der Angst und der Vorstellung, dass sie bei jedem Schritt das unsichtbare Polizistenpaar wie einen Schweif hinter sich herzog, war sie fünf Tage kaum vor die Tür gegangen. Auf die Straße trat sie nur, um rasch beim Chinesen an der Ecke einzukaufen, zur Wäscherei zu gehen oder zur Bank. Und gleich rannte sie wieder zurück und verschloss sich in ihrem Kummer und ihren beklemmenden Gedanken. Am sechsten Tag hielt sie es nicht länger aus. Das war kein Leben mehr, das war wie im Gefängnis, und Mabel war fürs Eingesperrtsein nicht gemacht. Sie musste draußen sein, den Himmel sehen, die Stadt riechen, hören, unter die Füße nehmen, musste mitten drin sein im Treiben der Menschen, brauchte das Iah der Esel und das Bellen der Hunde. Sie war keine Klosterschwester und würde es niemals sein. Sie rief ihre Freundin Zoila an und schlug vor, ins Kino zu gehen, in die Nachmittagsvorstellung.
»Was willst denn sehen, Cholita?«, fragte Zoila.
»Ganz egal, was eben gezeigt wird«, sagte Mabel. »Ich muss unter Menschen, mich mit jemandem unterhalten. Ich ersticke hier.«
Sie trafen sich vor dem Hotel Los Portales an der Plaza de Armas, nahmen einen Imbiss im El Chalán und gingen dann ins Multiplex des Einkaufszentrums Open Plaza, gleich bei der Universität. Sie sahen einen etwas pikanten Film, mit nackten Frauen. Zoila tat allzu fromm und bekreuzigte sich bei den Bettszenen. Aber sie war ein rechtes Luder, denn im Privatleben nahm sie sich viele Freiheiten heraus, wechselte den Partner wie das Hemd und prahlte auch noch damit: »Solange der
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