Ein Doppelleben im Kosmos
meinem Unbehagen, daß der Kaiser den Wunsch ausgesprochen hatte, ich solle bei der Stange bleiben, und daß ich eingewilligt hatte, es zu tun ... »aber es ist tatsächlich besser, wenn ich mich den Blicken entziehe. Bis jetzt sind wir gut davongekommen, nicht wahr? Sicherlich wissen einige, daß Bonforte nicht der Mann war, der die Aufnahmefeier über sich ergehen ließ, aber sie wagen diese Behauptung nicht zu äußern und könnten auch nichts beweisen, wenn sie es täten. Dieselben Leute argwöhnen vielleicht, daß auch heute ein Double benutzt wurde, aber sie wissen es nicht genau, sie können ihrer Sache nicht sicher sein, weil es immerhin möglich ist, daß Bonforte sich schnell genug erholt hat, um heute seine Aufgabe zu übernehmen. Stimmt das?«
Cliftons Miene wurde sehr verlegen. »Ich fürchte, sie hatten die feste Überzeugung, daß Sie ein Double waren, Chef.«
»Wieso?«
»Wir haben die Wahrheit ein wenig vertuscht, damit Sie nicht nervös würden. Dr. Capek war von der ersten Untersuchung Bonfortes an nicht im Zweifel, daß nur ein Wunder ihm die Kraft hätte geben können, auf der heutigen Audienz zu erscheinen. Die Leute, die ihm die Betäubungsspritze gegeben haben, wußten das auch!«
Ich runzelte die Stirn. »Also haben Sie mich beschwindelt, als Sie mir sagten, wie wohl er sich fühle? Wie geht es ihm wirklich, Rog? Sagen Sie mir die Wahrheit!«
»Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt, Chef. Deshalb habe ich Ihnen vorgeschlagen, ihn aufzusuchen, während ich vorher nur allzu froh war, mich an Ihre Weigerung, ihn zu sehen, halten zu können.« Er fügte hinzu: »Vielleicht sollten Sie ihn wirklich aufsuchen und mit ihm sprechen.«
»Hmmm ... nein.« Meine Gründe, ihn nicht zu sehen, waren noch immer gültig. Wenn ich wirklich nochmals auftreten müßte, sollte mein Unterbewußtsein mir keinen Streich spielen. Die Rolle verlangte einen gesunden Mann. »Aber, Rog, alles, was ich gesagt habe, wird noch viel überzeugender aufgrund dessen, was Sie mir soeben mitgeteilt haben. Wenn jene Leute mit gutem Grund annehmen, daß heute ein Double aufgetreten ist, so können wir nicht noch ein neues Erscheinen wagen. Heute hat die Überraschung sie entwaffnet, oder vielleicht war es unmöglich, mich unter den gegebenen Umständen zu entlarven. Aber das wird sich ändern. Man kann mir irgendeine Falle stellen, irgendeine Probe machen, der ich nicht standhalte, und dann ist der Ballon geplatzt!« Ich überlegte. »Ich sollte lieber so lange wie nötig krank sein«, fügte ich dann hinzu. »Bill hat recht. Eine >Lungenentzündung< wäre besser.«
Die Macht der Suggestion ist so groß, daß ich am nächsten Morgen mit verstopfter Nase und Halsschmerzen aufwachte. Dr. Capek gab mir eine Spritze, und ich fühlte mich um die Stunde des Abendessens fast menschlich. Dennoch verfaßte er Bulletins über »Bonfortes Virus-Infektion«. In den abgeschlossenen und mit Klimaanlage versehenen Mondstädten hat man keine Lust, sich einer solchen Krankheit auszusetzen. Niemand machte besondere Anstrengungen, an meinen Wächtern vorbei zu mir zu gelangen. Vier Tage lang lungerte ich herum und stöberte in Bonfortes Bibliothek. Ich las sowohl seine eigenen gesammelten Schriften als auch andere Bücher. Ich entdeckte, daß Politik und Wirtschaft eine sehr fesselnde Lektüre sein konnten. Diese Gebiete waren für mich früher nie wirklich dagewesen. Der Kaiser schickte mir Blumen aus dem kaiserlichen Treibhaus ... aber waren sie wirklich für mich bestimmt?
Nun, es machte nichts. Ich genoß jedenfalls den Luxus, Lorenzo zu sein oder auch einfach Lawrence Smith. Ich merkte, daß ich ganz automatisch wieder in meine Rolle verfiel, wenn jemand hereinkam, aber ich konnte es nicht ändern. Es war nicht nötig. Ich sah keinen außer Penny und Capek, abgesehen von einem Besuch Daks.
Aber selbst die angenehmste Muße kann langweilig werden. Am vierten Tage hatte ich das Zimmer so satt wie nur je das Wartezimmer eines Direktors, und ich war einsam. Niemand kümmerte sich um mich. Capeks Besuche waren kurz und sachlich gewesen, Pennys Besuche ebenfalls kurz und selten. Sie nannte mich nicht mehr »Herr Bonforte«.
Als Dak erschien, war ich glücklich, ihn zu sehen. »Dak! Was gibt es Neues?«
»Nicht viel. Ich versuche mit der einen Hand die >Tom Paine< zu überholen und mit der andern Rog bei politischen Arbeiten zu helfen. Es macht mich ganz krank, diesen Wahlkampf aufzuziehen.« Er setzte sich. »Politik!«
»Hm ... Dak, wie
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