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Ein Drama für Jack Taylor

Ein Drama für Jack Taylor

Titel: Ein Drama für Jack Taylor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Bruen
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hat’s verdient.«
    Ich hatte nichts zu erwidern.

»Nicht einmal das herrliche Wetter konnte hier Unordnung und tiefe Trauer verstecken, da die Pastorale zu ungeplanter Stadtwucherung verkam. Ich konnte fast die bitteren Energien von Veränderung und Versagen schmecken.
Auch ich schien irgendwie abwärtszustraucheln, weiter hinunter auf der schiefen Bahn, während ich durch den Übergang vom halbfest angestellten Privatdetektiv zum soliden Bürger und wieder abwärts zurückstolperte.«
    James Crumley, Land der Lügen

V ier Wochen zogen in Schmerz, Schuld, Reue, Verwirrung verschwommen vorüber. Ich kam nicht darüber hinweg, wie meine Mutter gestorben war. Alleine, vernachlässigt und verängstigt. Ich trank nicht, nahm kein Dope, kein Nikotin. Die drei tödlichen Süchte quälten ständig, und ich weiß nicht, warum ich ihnen nicht erlag. Ich habe mal gehört, wenn man sein Leben ändern will, seine Haltung, fängt man an, indem man sein Verhalten ändert. Mach das Gegenteil von dem, was du normalerweise gemacht hast, und schon kommt alles Weitere angewackelt. Anstatt mich also meiner üblichen Selbstzerstörung hinzugeben, hielt ich mich beschäftigt. Befragte die Studenten, Freunde, Bekannten der toten Mädchen aufs Neue. Trank sogar Kaffee mit Ronan Wall, um zu sehen, ob dabei etwas herausbriet.
    Nichts briet heraus.
    Ich las Synge, las ihn zweimal. Der Durchbruch, den ich beinah gehabt hatte, bevor ich vom Tod meiner Mutter erfuhr, blieb flüchtig, auf quälende Weise nicht zu greifen. Ronan Wall stichelte und provozierte weiter mit großem Bedacht. Er wusste, dass ich ihn brauchte, um etwas Struktur in meine Verdächtigungen zu bringen, aber nichts geschah. Ich ging regelmäßig mit Margaret aus, aber die Sache mit uns beiden erodierte. Ich dachte, ich lasse mir nichts anmerken, benehme mich fast normal, bis sie irgendwann fragte:
    »Wo bist du, Jack?«
    Wir hatten uns den brasilianischen Film City of God angesehen, von dem ich mich an nichts erinnere. Danach sind wir ins Brennan’s Yard gegangen, bekamen ein spätes Abendessen. Sandwiches mit dicker brauner Kruste, Pott Tee. Ich aß, ohne etwas zu schmecken. Auf ihre Fragen sagte ich:
    »Ich hatte an Bagdad gedacht, die intensiven erschreckenden Bilder, die ich auf CNN gesehen habe.«
    Hatte ich gar nicht.
    Sie schüttelte den Kopf, sagte:
    »Nein, hattest du nicht.«
    Es war viel zu spät und wäre zu dreist gelogen gewesen, hätte ich gesagt, was Frauen am meisten erhoffen …: »Ich hatte an dich gedacht, Liebes.« Um die Wahrheit zu sagen, war ich nirgendwo, dort, wo der weiße Lärm ist, die grauen Visionen. Sie nahm meine Hand, sagte:
    »Du bist an einem toten Ort.«
    Dass das stimmte, wusste ich. Am Tag zuvor hatte ich gesehen, wie Irland Georgien schlug, und war nur kurz mitgegangen, als ein Messer geworfen wurde und Kilbane am Ohr traf. Am Sonntag ließ ich mir das Sechs-Nationen-Turnier antun, Irland gegen England, und war in einer richtiggehenden Trance. Das Spiel war in der Lansdowne Road, ein nationales Spitzenereignis, und mich ging das alles gar nichts an.
    Ich nahm Margaret meine Hand wieder weg, sagte maulig:
    »Irgendwann komme ich da blitzartig wieder raus.«
    Kein Ausweg. Sie flüsterte traurig:
    »Das hoffe ich sehr, Jack.«
    Dann schob sie die Sandwiches fort und fragte:
    »Sprichst du mit irgendjemandem?«
    »Mit Cathy … und Jeff.«
    Stimmte irgendwie.
    Ich babysittete immer noch für sie. Jeff war cool und kühl, beschränkte unsere Konversation auf das Minimum. Cathy, lebhafter, war froh darüber, wie verbunden ich mich mit ihrem Kind fühlte.
    Und »verbunden« ist genau das richtige Wort.
    Ich las ihr weiter vor, und ihr Gesicht erhellte sich, wenn ich mit einem neuen Buch ankam. Ich weiß nicht, wie viel sie verstand, aber ihre Augen tanzten vor Einsicht und Wissen. Drei Jahre alt, mit einer Knopfnase, spitzbübischem Mund, ich hätte sie stundenlang anstarren können. Sie faszinierte mich. Hier war ein Kind, mit Down-Syndrom, von der Welt als beschädigt angesehen, mieser: als »behindert«, und doch hatte sie eine Vitalität, die sogar meinen zynischen Geist mit Energie erfüllte. Während dieser gefrorenen Wochen nach dem Tod meiner Mutter waren die Stunden mit Serena May das einzig Lichte, das ich erlebte. Sie hatte ein Lächeln, für das man sterben konnte, so unschuldig im Leben, wie ich schuldig war. Das würde noch mal unser Verderben werden. Wir waren gewöhnlich im Zimmer über der Kneipe, wo man von einem großen

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