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Ein Drama in Livland

Ein Drama in Livland

Titel: Ein Drama in Livland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Nicolef und seine Kameraden doch weder vor Drohungen noch vor Beleidigungen von der Stelle.
    Da trat Siegfried, ein Glas in der Hand, näher an Gospodin heran und schüttete ihm den Inhalt mitten ins Gesicht.
    Das war der erste Schlag, dem vielleicht tausend andere folgen sollten.
    Als da aber Karl Johausen auf den zum Saale führenden Stufen sichtbar wurde, hielten beide Parteien doch noch einmal inne. Die Menge wich auseinander, und der Sohn des Bankiers konnte bis zu der Gruppe gelangen, unter der sich der Sohn des Privatlehrers befand.
    Wie Karl Johausen in diesem Augenblicke auftrat, läßt sich schwer beschreiben. Er erschien äußerlich ruhig. Was aus seinen Zügen sprach, war nicht verhaltene Wut, sondern eher Hochmut, gepaart mit Geringschätzung, als er seinem Feinde gegenübertrat. Über Karls Absicht konnten sich seine Kameraden nicht täuschen: er näherte sich dem anderen nur, um ihm eine neue Beleidigung ins Gesicht zu schleudern.
    Dem früheren Lärm war eine unheimliche Stille gefolgt. Es lag so etwas in der Luft, als ob der Streitfall, der die Korporationen der Universität eine auf die andere hetzte, zwischen Jean Nicolef und Karl Johausen ausgetragen werden sollte.
    Gospodin aber, der an Siegfried schon gar nicht mehr dachte, wartete nur, bis Karl einige Schritte näher gekommen war, und machte dann eine Bewegung, ihm den Weg zu versperren.
    Jean hielt ihn jedoch zurück.
    »Die Sache geht mich an!« sagte dieser gelassen.
    Im Grunde hatte er ja recht damit, zu erklären, daß das, was nun kommen sollte, ihn und ihn allein betraf. Kaltblütig drängte er die Hände derer zurück, die Miene machten, sich einzumischen.
    »Du wirst mich nicht zurückhalten… rief Gospodin, jetzt vor Wut außer sich.
    – Ich will es aber!« entgegnete ihm Jean Nicolef so bestimmten Tones, daß der andere sich wohl oder übel fügen mußte.
    Dann wendete er sich an die Gesamtheit der Studenten.
    »Ihr seid Hunderte, begann er, so laut, daß ihn jeder verstehen mußte, wir dagegen kaum fünfzig!… Fallt doch über uns her… wir werden uns verteidigen und werden unterliegen! Ihr aber hättet keinen ehrenhaften Sieg erfochten!«
    Ein Wutgeschrei antwortete ihm.
    Johausen gab durch ein Zeichen zu verstehen, daß er sprechen wolle.
    Wieder wurde es still.
    »Jawohl, rief er, der Kampf wäre zu ungleich!… Findet sich unter euch Slawen einer, der die Sache auf seine Rechnung nehmen will?
    – Wir alle… wir alle!« erklärten die Kameraden Nicolefs.
    Da trat dieser selbst hervor.
    »Ich… ich nehme es selbst auf mich, und wenn Karl Johausen provoziert sein will, so nehme er das dafür hin…
    – Du? rief Karl mit einer verächtlichen Bewegung.
    – Ja… ich! antwortete Jean. Wähle dir zwei Sekundanten, ich habe meine Wahl schon getroffen.
    – Du… du willst dich mit mir schlagen?
    – Gewiß… morgen, wenn du nicht heute dazu bereit bist. Jetzt, diesen Augenblick, wenn du es willst!«
    Unter den Studenten sind ja solche Zweikämpfe keine Seltenheiten, und es ist gut, daß die Universitäts-und die Staatsbehörden darüber ein Auge zudrücken, denn es kommt bei den Fechtereien gewöhnlich nicht viel heraus. Im vorliegenden Falle konnte man freilich einen ernsteren Ausgang befürchten, denn die Duellanten würden sich dabei besonders gereizt gegenüberstehen.
    Karl hatte die Arme gekreuzt und sah Jean vom Kopf bis zu den Füßen an.
    »Ah, du hast deine Sekundanten also schon gewählt? sagte er höhnisch.
    – Hier sind sie, antwortete Jean, und wies auf Gospodin und einen zweiten Studenten.
    – Und du glaubst, daß sie der Wahl zustimmen?
    – Das versteht sich von selbst! antwortete Gospodin ohne Zögern.
    – Mag sein, antwortete Karl Johausen; ich habe aber Veranlassung, der ganzen Sache nicht zuzustimmen, Jean Nicolef, das heißt, mich mit dir nicht zu schlagen.
    – Und warum dieser neue Schimpf?
    – Weil man sich nicht mit dem Sohn eines Mörders schlägt!«

Neuntes Kapitel.
Denunziation.
    Hier mögen die Vorgänge geschildert werden, die sich am Tage vorher in Riga abgespielt hatten, wohin der Richter Kerstorf, der Major Verder, der Doktor Hamine und Herr Frank Johausen in der Nacht vom 15. zum 16. April zurückgekehrt waren.
    Schon zwölf Stunden vorher, noch am Morgen, hatte sich die Nachricht von dem im »Umgebrochenen Kreuze« verübten Verbrechen im Fluge verbreitet. Gleichzeitig damit erfuhr man auch den Namen des beklagenswerten Opfers, Pochs, des Beamten der Bank.
    Dieser Unglückliche war in

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