Ein Drama in Livland
Tatbestandes.
Wenn Kroff jedem, der es hören wollte, erklärte, die Untersuchung sei auf einen Abweg geraten, als sie die gegen Nicolef erhobene Anschuldigung fallen ließ, wenn er versicherte, der Reisende sei der wirkliche Schuldige, wenn er nicht aufhörte, diesen gegenüber dem Richter Kerstorf zu belasten, und er darin von den Feinden des Lehrers noch bestärkt wurde… wenn dessen Freunde anderseits das Verbrechen dem Schenkwirt zuschoben, so zeugt das alles dafür, daß die Lage bezüglich des einen wie des andern noch nicht geklärt war und beide sich der schwersten Beschuldigungen zu versehen hatten, so lange der gesuchte Verbrecher der Gerechtigkeit noch nicht in die Hände fiel.
Wladimir Yanof und der Doktor Hamine sprachen oft über diese Lage der Dinge. Sie erkannten die einzige Möglichkeit, den Johausens und ihren Parteigängern den Mund zu schließen, darin, daß der Urheber des Verbrechens nicht nur verhaftet, sondern auch endgültig verurteilt würde. Und während Dimitri Nicolef sich von der ganzen Angelegenheit sozusagen loszulösen, sich gar nicht mehr darum bekümmern zu wollen schien und sie überhaupt nicht mehr erwähnte, bemühten sich seine Freunde unausgesetzt, deren Klärung zu beschleunigen und das mit allen Nachrichten zu unterstützen, die ihnen von irgendwelcher Seite zugingen. Dabei beharrten sie so hartnäckig darauf, den Schenkwirt zu beschuldigen, daß der Richter Kerstorf und der Oberst Raguenof sich wohl oder übel entschließen mußten, im Kabak »Zum umgebrochenen Kreuze« noch eine zweite Hausdurchsuchung vorzunehmen.
Diese erfolgte am 5. Mai.
Der Richter Kerstorf, der Major Verder und der Brigadier Eck trafen am Morgen dieses Tages im Kabak ein.
Die Polizisten, die das Haus noch immer bewachten, hatten nichts Neues zu melden.
Kroff, der ein wiederholtes Erscheinen der Beamten schon erwartet hatte, beeilte sich, sich den Herren zur Verfügung zu stellen.
»Herr Richter, sagte er, es ist mir nicht unbekannt geblieben, daß man auch mich bezüglich dieser Angelegenheit verdächtigt hat. Ich hoffe aber, daß Sie diesmal mit der Überzeugung von meiner Unschuld heimkehren werden.
– Das wird sich ja zeigen, antwortete Kerstorf. Lassen Sie uns beginnen…
– Mit dem Zimmer des Reisenden, zu dem Sie den Schlüssel in Verwahrung haben? fiel der Schenkwirt ein.
– Nein, erwiderte der Beamte.
– Ist es Ihre Absicht, das ganze Haus zu durchsuchen? fragte der Major Verder.
– Allerdings, Herr Major.
– Ich meine freilich, Herr Kerstorf, wenn sich hier überhaupt noch neue Beweisstücke finden sollten, müßten wir danach in dem Zimmer suchen, das damals Dimitri Nicolef bewohnt hat.«
Diese Bemerkung verriet, daß der Major ebenso fest an die Schuld des Lehrers wie an die Unschuld des Schenkwirtes glaubte. Nichts hatte hierin seine Anschauung ändern können, die auf der Überzeugung beruhte, daß der Mörder der Reisende und daß dieser Reisende Dimitri Nicolef gewesen sei. Davon war er nicht abzubringen.
»Führen Sie uns«, befahl der Richter dem Schenkwirte.
Kroff gehorchte mit einer Bereitwilligkeit, die nicht wenig zu seinen Gunsten sprach. Der nach dem Garten zu gelegene Anbau nebst den Schupfen wurden im Beisein des Richters und des Majors ein zweites Mal durchsucht. Dann besichtigte man mit größter Sorgfalt den Garten selbst, die Umgebung jedes Baumes, die Erde längs der lebenden Hecke und die Beete, worauf einzelne Gemüse standen. Vielleicht hatte Kroff irgendwo seine Beute – wenn er den Raub begangen hatte – vergraben, und es war doch wichtig, darüber ins Reine zu kommen.
Die Nachsuchungen blieben fruchtlos. Ebenso enthielt ein Schrank des Schenkwirts nur etwa hundert Scheine zu fünfundzwanzig, zehn, fünf, drei und zu einem Rubel, jedenfalls weit weniger, als was der Bankbeamte in seiner Mappe bei sich gehabt hatte.
Jetzt nahm der Major Verder den Richter bei Seite.
»Vergessen Sie nicht, Herr Kerstorf, sagte er, daß Kroff seit der Verübung des Verbrechens den Kabak nie ohne Begleitung verlassen hat, denn die Polizisten sind schon seit demselben Morgen hier.
– Das weiß ich, antwortete Kerstorf, doch vor deren Eintreffen und nach dem Weggange Nicolefs ist der Mann immerhin einige Stunden allein gewesen.
– Sie sehen aber doch, Herr Kerstorf, daß wir bisher nichts verdachterweckendes gefunden haben.
– Ganz recht: bisher noch nichts. Die Hausdurchsuchung ist aber noch nicht zu Ende. Sie haben die Schlüssel zu den beiden Zimmern,
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