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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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totenblass.
    «Ich komme mir inzwischen völlig idiotisch vor.» Sie war etwa ein oder zwei Jahre jünger als Merrily, hatte ihr helles Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, war ungeschminkt, und in ihrem Nasenflügel blitzte ein Diamantstecker. «Joyce Aird hat Sie schon angekündigt.»
    «Das dachte ich mir.»
    «Joyce ist in Ordnung», sagte Hannah. «Besser als die Lokalnachrichten im Radio – es bringt sie beinahe um, über die Geschichte nicht reden zu können.»
    Auch Hannah stammte nicht aus der Gegend. Ihre Aussprache deutete auf den Norden hin, vielleicht Lancashire.
    «Schön haben Sie es hier», sagte Merrily und sah sich um. «Wohnen Sie hier allein?»
    «Mit meinem Sohn. Er ist neun. Es ist das Ferienhaus meiner Eltern. Sie haben es Robin und mir zur Verfügung gestellt, als mein Mann uns verlassen hat. Das war letztes Jahr, und ich fühle mich immer noch ein bisschen wie auf der Durchreise. Möchten Sie reinkommen?»
    Das Cottage war winzig, hatte nicht mehr als drei oder vier kleine Räume. Das Wohnzimmer war möbliert wie ein Wohnwagen – Schlafcouch mit Schubladen darunter, ein Tisch, der an die Wand geklappt werden konnte, ein Herd mit Gasflasche. Hannah führte Merrily zu einem kompakten Sessel mit einem gelben Sitzkissen und setzte sich selbst auf die Schlafcouch. Durch das offenstehende einzige Fenster wehte Geißblattduft herein.
    «Zum Glück sind Sie am richtigen Tag gekommen. Ich habe einen Teilzeitjob bei der Touristeninformation von Ledbury. Drei Tage die Woche. Das reicht gerade so. Möchten Sie Kaffee oder was Kaltes?»
    «Könnten wir uns vorher unterhalten?»
    «Klar. Ich fürchte, ich war seit Robins Taufe in keiner Kirche mehr. Schlimm, was? Ich würde vielleicht gehen, wenn sie ein bisschen kleiner wäre. Aber unsere Kirche hier ist wirklich grässlich. Finden Sie nicht? Irgendetwas Heiliges kann man sich dort drin jedenfalls nicht vorstellen, das ist mal sicher.»
    «Hier dagegen haben Sie es … angenehm.»
    «Na ja, es ist
sehr klein
. Ich musste viele Möbel einlagern. Aber das … Oh, jetzt verstehe ich, was Sie gemeint haben. Nein,
hier
ist alles in Ordnung. In meiner Kindheit sind wir jedes Jahr in den Sommerferien und an vielen Wochenenden hierhergekommen. Ich liebe das alles. Die ganze Gegend ist einfach toll, finden Sie nicht? Nein,
so etwas
ist hier nicht.»
    «Das ist schon einmal gut.»
    «Ich habe mich endlich wieder richtig frei gefühlt, wenn ich mit dem Fahrrad nach Ledbury runtergefahren bin. Der Rückweg ist ziemlich anstrengend, aber es hält einen fit.»
    «Ja, bei all den Hügeln. Das würde ich nicht schaffen, glaube ich.»
    «Zuerst bin ich vor lauter Muskelschmerzen in den Beinen fast gestorben, aber es hat sich gelohnt. Also … wissen Sie, ich war nie so … ich wollte mir bei der Arbeit Ihre Webseite auf dem Computer ansehen, aber es war ständig jemand in der Nähe. Ich möchte nicht, dass Sie denken, ich würde Ihre Zeit vergeuden. Ich weiß ja nicht einmal, ob Sie beauftragt worden sind.»
    «Hmm … nein.»
    «Ich bin gerade ziemlich nervös», sagte Hannah.
    «Wissen Sie», sagte Merrily, «ich hatte noch nie einen Fall von Besessenheit. Peinlich, so etwas als sogenannte Exorzistin zuzugeben, was? Aber so ist die Lage nun mal. Also … wie ist es?»
    «Wie es ist?» Hannah grinste. «Nehmen Sie mich auf den Arm? Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Ich bin kein schreckhafter Mensch. Inzwischen hätte ich zwar gern einen Hund, aber ich müsste ihn im Haus einsperren, wenn ich arbeiten gehe, und das finde ich nicht gut.»
    «Ich habe das gleiche Problem, Hannah. Entschuldigen Sie, ich kenne nicht mal Ihren Nachnamen.»
    «Bradley. Das ist der Name meines Exmannes. Immerhin besser als mein früherer Name – Catterall –, also habe ich mir gedacht, der Mistkerl kann mir wenigstens seinen Namen lassen. Hören Sie – was ich Ihnen sage, bleibt unter uns, klar?»
    «Natürlich.»
    «Ich denke ständig darüber nach, aber es ist trotzdem schwer, es zu beschreiben», sagte Hannah.
     
    «Es war ganz nah bei mir.
So nah.
Im Ernst.»
    Sie zeigte den Abstand mit den Händen und suchte in Merrilys Gesicht nach Zeichen der Ungläubigkeit. Aber Merrily nickte bloß. Hannah befeuchtete mit der Zunge ihre Lippen.
    «Ich habe gerade einen ganz trockenen Mund.»
    Hannah holte zwei Dosen Diät-Pepsi, setzte sich wieder und rollte die kalte Dose zwischen den Händen.
    «Es ist so ein langgestreckter Hügel, und ich fahre nicht so gut, dass ich den Lenker

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