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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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loslassen könnte.»
    «Auf welcher Seite war es?»
    «Ungefähr auf der Mitte der Straße. Ich fahre immer so nah wie möglich am Seitenstreifen, weil manche Autofahrer hier die reinsten Irren sind.»
    «Und es war … ganz bestimmt ein anderes Fahrrad.»
    «Es war … es war, als ob man nebeneinanderfährt und den Kopf dreht, um dem anderen etwas zu sagen, und … nichts! Sobald man den Kopf dreht, ist es … weg. Die ersten paar Mal habe ich gedacht, das bilde ich mir alles bloß ein.»
    «War das tagsüber?»
    «Vormittags … nachmittags. Ich fahre bei Dunkelheit nicht mit dem Rad. Ich bin schließlich nicht verrückt.»
    «Und was passiert, wenn Sie Ihren Kopf nicht drehen?»
    «Dazu wollte ich gerade kommen. Auch wenn ich nicht hinschaue, kann ich es trotzdem … sehen. Wenn ich den Blick auf die Straße vor mir gerichtet halte und nicht … Das klingt bescheuert, ich weiß. Und irgendwie stimmt es auch nicht genau. Ich kann es nicht
sehen
, das habe ich nicht gemeint. Aber ich bin mir der Anwesenheit
voll bewusst
. Es existiert hundertprozentig. Zwei Leute fahren nebeneinander Fahrrad. Man spürt den Luftzug auf der Seite, auf der die Hecke ist, aber auf der anderen Seite ist man windgeschützt von … von diesem anderen Radfahrer. Ehrlich. Ich schwör’s bei Gott.»
    «Und wie
fühlen
Sie sich, wenn das passiert?»
    «Zuerst … bloß komisch. Unbehaglich. Also habe ich mich immer zu ihm umgedreht, einfach, um ihn loszuwerden. Und dann … Oh Gott … war ich so beschäftigt damit, zur Seite zu schauen, dass ich beinahe in einen Traktor mit Anhänger reingefahren wäre, der am Straßenrand gehalten hatte. Noch eine Sekunde länger, und … Der Anhänger war so ein Metallding, mit dem man das Feld beackert. Wenn man da reinfährt, sind Knochenbrüche das Mindeste, was man sich holt, Mrs. Watkins.»
    «Merrily.»
    «Das klingt nett. Merri-ly. Müssen Sie für diesen Job übersinnliche Fähigkeiten haben?»
    «Nicht unbedingt. Das kann manchmal sogar kontraproduktiv sein. Was ist nach dem Zwischenfall mit dem Anhänger passiert?»
    «Jetzt sind wir bei dem Teil angekommen, der mir überhaupt nicht gefällt.»
    «Ich glaube nicht, dass mir irgendetwas davon gefallen würde.»
    «Dann … Ich habe überlegt, was mit Robin passieren würde, wenn ich für ein halbes Jahr im Gipsbett landen würde, also habe ich beschlossen, dass ich, wenn ich je wieder das Gefühl haben sollte, ein anderer Radfahrer wäre neben mir, absteigen würde, bevor ich mich umdrehe.»
    «Haben Sie darüber nachgedacht, was … es sein könnte?»
    Hannah schüttelte den Kopf. «Ich habe absichtlich nicht so viel darüber nachgedacht. Man wird irre davon. Aber richtig gefürchtet habe ich mich davor, dass es so was wie ein Hirntumor sein könnte, was weiß ich. Wenn man ein Kind hat …»
    «Ich weiß.»
    «Also war es beinahe eine Erleichterung, als …»
    «Und was war der Teil, der Ihnen überhaupt nicht gefallen hat?»
    «Also, wie gesagt, je angestrengter ich nicht hingesehen habe, desto realer wurde es. Und es war sehr dicht bei mir. Es war an einem Tag wie heute, vielleicht nicht ganz so warm, aber ich konnte seinen Schweiß riechen. Und doch war es kalt. Auf einmal war es unheimlich kalt.»
    «Also war es ein Mann.»
    «Ja. Ich habe seinen Schweiß gerochen. Männerschweiß riecht anders, nicht? Und
Tabak
. Sein Atem roch nach Tabak. Nicht nach Zigaretten – ich habe geraucht, bevor ich Robin bekam –, das war ein richtig starker Tabakatem. Und nach einer Weile … ich habe mich darauf konzentriert, so schnell wie möglich in die Pedale zu treten, mich an den Lenker zu klammern und die Zähne zusammenzubeißen, und ich wusste, dass ich auf keinen Fall anhalten würde … also, nach einer Weile konnte ich seine Gedanken spüren. Sehen Sie sich meine Arme an, Merrily! Ich bekomme schon bei der Erinnerung daran Gänsehaut. Ich habe seine Gedanken gespürt! Aber … ich habe nicht gespürt,
was genau
er dachte. Es waren mehr die Farben seiner Gedanken. Ihre Struktur. Wie sich seine Gedanken
anfühlen
. Ich beschreibe das nicht besonders gut, oder?»
    «Sie beschreiben das perfekt. In dem Moment hatten Sie bestimmt große Angst.»
    «Das kam eigentlich erst danach. Als ich nach dem ersten Mal bei der Arbeit ankam, dachten sie dort, ich wäre krank. Meine Kollegin von der Touristeninformation wollte mich mit dem Taxi nach Hause schicken, aber ich musste arbeiten. Mit Leuten reden. Die Sache vergessen. Abends bin ich dann allerdings

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