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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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ausgehen und davon, dass es der erste Versuch ist, finden sich gewöhnlich ein paar Probeschnitte um die Hauptwunde herum. Aber wenn Sie sich das hier einmal anschauen möchten …»
    Dieses Mal sah Merrily nicht hin.
    «Es ist aber schon mehr als nur ein einzelner Schnitt.» Bliss’ orange reflektierende Wanderjacke quietschte, als er sich vorbeugte.
    «Ja, allerdings würde man das hier nicht ‹Probeschnitt› nennen», sagte McEwen. «Es sieht mehr danach aus, als wäre das Messer abgerutscht, und dieser andere Schnitt hier ist viel zu tief, vermutlich ein zweiter Hieb. Haben Sie gesehen, was er bei der Luftröhre und den Muskeln da angerichtet hat? Außerdem gibt es noch eine Wunde am Hinterkopf, die möglicherweise … Wissen Sie was, geben Sie mir einfach noch ein paar Minuten, okay?»
    «Und stimmen diese Wunden mit dem Messer überein?»
    «Die Wunde am Hinterkopf sieht mehr nach dem berühmten stumpfen Gegenstand aus. Ich habe das Messer noch nicht gesehen – haben Sie es da?»
    «Schon in einer Spurensicherungstüte», sagte Bliss. «Es ist ein Küchenmesser, die Klinge ungefähr acht Zoll lang. Es lag in der Nähe seiner rechten Hand im Gras.»
    «Gehen Sie davon aus, dass er es nicht selbst war. Und ich vermute, dass Sie nach mehr als einem Täter suchen sollten, Frannie. Wahrscheinlich sogar mehr als zwei. Wenn es hier passiert ist, und das Spritzmuster des Blutes sieht danach aus, dann … einen trainierten jungen Mann wie den hier drückt man nicht so einfach auf den Boden, oder?»
    «Vielleicht hat ihm ein anderer den Kopf über die Kante des Steins zurückgebogen, an den Haaren, damit seine Kehle für das Messer frei lag. Henry, was haben Sie noch mal über den Stein gesagt?»
    «Ist hier in der Gegend als der ‹Opferstein› bekannt, Boss. Mehr kann ich nicht sagen.»
    «Jetzt sind Sie dran, Merrily.» Bliss nahm sie am Arm und führte sie in Richtung der Höhle. «Und wir haben Mittsommernacht, oder? Klären Sie mich auf.»
    «Worüber?»
    «Ritualopfer. Nur damit ich schon mal eine Ahnung habe.»
    «
Deshalb
wollten Sie mich dabeihaben?»
    «Morgen finden wir bestimmt irgendeinen Experten, falls wir einen brauchen. Aber wo Sie schon mal da sind … es ist doch richtig, dass Sie bereits mit einigen Aspekten heidnischer Kulte zu tun hatten, oder?»
    Merrily sah sich kurz nach dem Stein um, der wie ein schräger Keil aus dem Hügel herausragte, und nach dem toten Mann mit seinem schwarzen Lätzchen aus geronnenem Blut, der rücklings auf dem Stein lag.
    «Frannie …» Sie bohrte die Hände in die Jackentaschen und wandte sich dem Pfad zu, der sich um den Hügel herum zu den Erdwällen der Befestigungsanlage aus der Eisenzeit hinaufwand. «So was gibt es doch nicht, oder?»
    «Was gibt es nicht?»
    «Ritualopfer.»
    «Doch», sagte Bliss. «Denken Sie nur an das arme Kind, das vor ein paar Jahren in der Themse gefunden worden ist.»
    «Ja, aber das war kein …»
    «
Keins von unseren?
Ts ts ts. Wir sind hier im multikulturellen England, Merrily. Die Annahme, dass die einzige anerkannte Art von Ritualopfern in diesem Land von weißen Männern mit weißen Gewändern und Sicheln ausgeführt werden darf, ist ja geradezu …»
    «Oh, ich verstehe. Weil dieser Mann
schwarz
ist …»
    «Ein schwarzer Mann, der mit aufgeschlitzter Kehle auf einem berühmten prähistorischen englischen Denkmal gefunden wird … das ist mal so richtig interkulturell, oder? Ich glaube nicht, dass so etwas dabei eine Rolle spielt, aber wir müssen es erst ausschließen. Erzählen Sie mir etwas über die Sonnenwende.»
    «Die meisten traditionellen Formen des Heidentums beziehen sich auf die Sonnenwende. Bis zu der es heute übrigens noch ein paar Stunden dauert. Aber das ist alles Blödsinn … die modernen Heiden heutzutage machen so etwas nicht.»
    «Das soll man nie sagen, junge Frau. Es gibt immer einen Idioten, der zu allem bereit ist.»
    «Außerdem … ich meine, wie lange ist er schon tot?»
    «Höchstens ein paar Stunden. Ein paar Jugendliche haben ihn gefunden.»
    «Also ist er vermutlich vor dem Dunkelwerden ermordet worden. Als noch Spaziergänger unterwegs waren. Wer würde denn so was machen, wenn ständig jemand vorbeikommen kann?»
    Ein weiterer Scheinwerfer wurde eingeschaltet, und Merrily schaute automatisch hin. Der grauenvolle Anblick wurde grell aus dem Dunkel herausgehoben: Die obszöne Spalte in der Kehle des Opfers, die an einen aufgerissenen Mund erinnerte. Merrily schauderte.
    «Wenn Sie eine

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