Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
Vom Netzwerk:
hatte, in einer Kirche zu spielen. Nicht in einer von diesen idiotischen Klatsch-und-Sing-Gruppen, aber … er wusste es selbst nicht so recht; er dachte nur manchmal daran, in einer Situation zu spielen, in der seine Musik mit einer anderen Ebene in Berührung kommen könnte.
    «Es waren die Sachen, die in meinem Kopf abgelaufen sind», sagte Dan. «Und mit meinem Körper, echt. Da ist eine Vibration durchgelaufen, als stünde ich unter Strom, und es war, als würden verschiedene Körperzonen nacheinander anfangen zu strahlen. Ich kann’s nicht erklären. Schon klar, vom Singen kann man ein bisschen high werden. Aber an dem Abend kam noch die Vernetzung dazu … da sind nicht nur drei Kirchen zusammengekommen, es war, als wäre man in einem riesigen … Klangkreis. Als wären wir in eine andere Dimension durchgebrochen. Echt. Und … verdammt, ich höre mich an, als wäre ich auf Drogen, oder?»
    «Und warum gerade diese Kirchen?»
    «Das hat Tim nie erklärt, er erklärt sowieso nie was. Anscheinend wollte er, dass die drei Kirchen in den drei Countys liegen – Wychehill in Herefordshire, die Prioratskirche von Little Malvern in Worcestershire und Redmarley D’Abitot in Gloucestershire. Er hat also seinen eigenen Three-Counties-Chor aufgestellt … und die drei Countys in geistlichem Gesang vereint. Komisch, echt.»
    «Und er hat nie erzählt, was dahintersteckt?»
    «Nein. Eine Frau war weiß wie ein Handtuch, als wir rauskamen. Sie hat gesagt, sie hätte eine Gestalt am Altar gesehen, während wir gesungen haben. Mit einem hohen Hut. Na ja, einer Bischofsmitra. Und der Bischof hätte mit ausgebreiteten Armen vor dem Altar gestanden. Sie war ziemlich geschockt, aber wir waren alle in einem komischen Zustand.»
    «Und war das, als Sie die Musik aus Elgars Messe gesungen haben?»
    «Ja, genau, aber später hab ich rausgefunden, dass es ein berühmtes Foto aus der Kirche gibt, auf dem man angeblich die Geistergestalt eines Bischofs erkennen kann. Also hatte sie, unbewusst vielleicht, dieses Bild im Kopf. Sie hat sich eigentlich nicht gefürchtet, als sie uns von dieser Erscheinung erzählt hat, es war mehr so was wie Ehrfurcht. Und ich habe gedacht:
Ja, wir haben ihn geweckt, und er feiert die Messe
. Und auf einmal hat dieser Ausdruck
die Messe feiern
für mich zum ersten Mal Sinn ergeben.»
    «Tja», sagte Lol. «Danke.»
    «Sie sollten einen Song über ihn schreiben», sagte Dan.

36 Der Traum
    Merrily ging direkt zur Kirche hinüber, aber Winnie stellte sich ihr schon in der Vorhalle in den Weg.
    «Auf keinen Fall.»
    «Sie haben ihn freigelassen?»
    «Ich bitte Sie höflich, Merrily, uns in Ruhe zu lassen.»
    «Das war er, oder?», sagte Merrily.
    «Glauben Sie vielleicht, das war Elgars Geist?»
    Tim Loste war in der Kirche verschwunden, und Winnie wollte Merrily nicht hineinlassen.
    «Er ist ziemlich angegriffen, Lady. Das sollten Sie respektieren.»
    «Ich muss mit ihm sprechen.»
    «Ein anderes Mal. Ehrlich, man hat ihn beschuldigt, jemanden ermordet zu haben. Die haben ihn stundenlang verhört. Ihn so lange gequält, bis er nicht mehr wusste, ob Tag oder Nacht ist.»
    «Das ist eine schlimme Erfahrung, Winnie, aber ich war es nicht, die ihn verhaftet hat. Ich will nur einen Schlussstrich ziehen.»
    «Dann ziehen Sie den eben woanders.»
    «Warum wollen Sie verhindern, dass ich mit ihm rede?»
    «Wenn Sie es so sehen wollen, bitte, schieben Sie die ganze Schuld auf mich.»
    Unglaublich. War das wirklich dieselbe Frau, die kürzlich von heiligen Quellen und den Verletzungen der Felsen gesprochen hatte?
    «Na gut, wie wäre es dann, wenn wir beide uns unterhalten?»
    «Später.» Winnie Sparkes Augen erinnerten an Rauchglas. «Ich muss mich um Tim kümmern.»
    In der Kirche ertönten leise, dunkle Orgeltöne. Winnie lächelte.
    «Ich rufe Sie irgendwann an, okay?»
    «Hören Sie, die Kirche ist ein öffentliches Gebäude. Ich gehe oft zum Beten in andere Kirchen. Ich glaube, gerade habe ich das Bedürfnis …»
    «Nein.»
    Winnie streckte ihr die Hände entgegen. Sie hatte ziemlich spitze Fingernägel.
    «Wollen Sie mir wirklich die Augen auskratzen? Winnie, ich werde seit Tagen von allen möglichen Leuten reingelegt, meine Tochter hat Probleme, und ich muss nach Hause. Ich bitte nur um ein paar Minuten Ihrer Zeit. Aber wenn Sie unbedingt in der Vorhalle einer Kirche einen Zickenkrieg anzetteln wollen …» Merrily ließ ihre Schultertasche zu Boden gleiten. «Dann schlagen wir uns eben.»
    «Also gut.»

Weitere Kostenlose Bücher