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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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gegang. Die Nichte hat das Geld, dieser Murray hat das Land.»
    «Wusste sonst noch jemand, dass die Weide nicht angerührt werden sollte? Das könnte doch wichtig sein, finden Sie nicht?»
    Gomer zog am allerletzten Rest seiner Zigarette.
    «Schwer zu sagen, Junge. Is hier alles zugewuchert, seit sie den Obstgarten nich mehr bewirtschaften. Ja, klar, bestimmt ham das n paar Leute gewusst, aber vielleicht hamse gedacht, dadrüber redet man besser nich, wie’s eben mit solchen Sachen is. Ich frag mal rum. Wo is Janey grade?»
    «Bei mir. Sie sollte eigentlich in der Schule sein, aber sie versteckt sich vor den Presseleuten. Sie ist nicht mehr so sicher, dass sie das Richtige getan hat. Was sagen die Leute im Dorf?»
    «Hippie-Aktion», sagte Gomer. «Das sagen sie, Junge. Tut mir leid.»
    Klar. In dieser Gegend wurde der altmodische Begriff
Hippie
auf jeden Zugezogenen angewendet, der ein bisschen unkonventionell auftrat und sich kein
hochwertiges Eigenheim
leisten konnte.
    «Und was ist mit dem Bebauungsplan, dem Verlust der Weide und dem Blick auf den Cole Hill?»
    «Juckt die meisten Leute nich, verstehste? Die kümmern sich sowieso um nichts, wennse nich persönlich betroffen sin. Müssteste mal hörn, was die im Laden für Sprüche vom Stapel lassn …»
    «Was sagen sie über Jane?»
    «Lass ma lieber, Lol. Dieses Volk kennt das Mädchen doch gar nich. Nich so wie wir.»
    «Jetzt kommen Sie schon … was sagen die?»
    Gomer drückte seine Zigarette aus.
    «Das sin bloß lauter Einfaltspinsel mit zu viel Zeit.»
    «Gomer …?»
    «Ach … die sagen, es wär kein Wunder, wennse von der Rolle is, wo doch … wo doch ihre Ma die halbe Zeit nich da is. Un außerdem wär es kein Wunder, wenn Jane inner Phantasiewelt lebt, wo doch ihre Mutter andauernd irgendwelchen Sachen nachjagt, die überhaupt nich existiern.»
    «Statt sich um die Gemeinde zu kümmern.»
    «Ar … so ungefähr. Tut mir leid, Junge, aber du wolltest es wissen.»

35 Drei Chöre
    Während sie auf die Kirche zuging, versuchte Merrily noch einmal, bei Lol zu Hause anzurufen. Immer noch besetzt. Sie versuchte es auf seinem und auf Janes Handy. Beide abgeschaltet. Sie hinterließ eine Zwei-Wort-Nachricht und hoffte, dass ihre Stimme nicht zu hysterisch klang: «Der
Guardian

    Sie hörte sich die Nachricht von Amanda Patel noch einmal an, während Mrs. Aird aus der Kirche kam und auf ihrem Weg die Straße hinunter immer kleiner wurde. Die Leute von Wychehill schienen in ihren Häusern zu verschwinden wie Hasen im Bau.
    Inzwischen waren noch sechs weitere Nachrichten zum Thema Jane auf dem Anrufbeantworter.
BBC
Hereford and Worcester, Central News, Daily Mail, Hereford Times, Hereford Journal
. Und ein zackiger, eiskalter Robert Morrell, der Direktor der Moorfield High School.
    «Mrs. Watkins, bitte rufen Sie mich so schnell wie möglich zurück.»
    Kein Wunder, dass das verflixte Kind heute Morgen so früh aus dem Haus war. Merrily ging auf den Friedhof. Wo zum Teufel sollte sie in Wychehill einen
Guardian
herbekommen? Sie spürte, wie ihr der kalte Schweiß ausbrach, während sie eine siebte Nachricht abrief. Die Stimme klang samten und tief und so nah, als könne ihr der Sprecher das Ohr lecken.
    «Mrs. Watkins. Khan.»
    Dann folgte eine lange Pause, nach der er sagte: «Würden Sie mich bitte zurückrufen?» Und mit einem Hauch Ungeduld: «Ich bin in meinem Büro in Kidderminster.»
    Merrily setzte sich auf den Sockel von Longworths Grab und schrieb sich die Nummer auf. Allerdings hatte es mit dem Rückruf keine Eile.
    Morrell jedoch sollte sie anrufen. Er würde ihr wenigstens sagen können, was im
Guardian
stand. Andererseits – wenn sie vor Morrell zugab, den Artikel noch nicht gelesen zu haben, was würde das für einen Eindruck machen?
    Als sie den Kopf in den Nacken legte, schaute sie dem Engel der Qual von unten ins Gesicht.
    Fegefeuer. Wir haben schließlich das Fegefeuer schon hier, hatte Winnie Sparke gesagt.
    Da hatte sie allerdings recht.
    Zuvor hatte Merrily bei Hannah Bradleys Cottage an die Tür geklopft. Keine Reaktion. Vermutlich einer ihrer Arbeitstage im Büro der Touristeninformation von Ledbury. Wenn Stella gelogen hatte und Loste unter wahnhaften Störungen litt – wie wahrscheinlich war es dann, dass Hannah die Wahrheit gesagt hatte?
    Aber sie war so überzeugend gewesen. Wem konnte Merrily hier überhaupt trauen?
    Sie starrte auf die Grabinschrift.
    DIE HEILIGEN ENGEL BETEN FÜR IHN,
    DIE CHÖRE DER GERECHTEN SINGEN

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