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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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weder spirituell noch emotional oder intellektuell weit genug, um das Erhabene zu spüren.»
    «Sie dagegen schon, oder?»
    «Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden», sagte Winnie. «Ich habe zu tun.»

37 Spirituelle Unterernährung
    Ein Traktor ratterte vorbei, als Merrily wütend ins Auto stieg und die Tür zuknallte. Die Sommersonne hatte den Volvo auf Backofentemperaturen gebracht.
    «Entschuldige, es war zu laut, ich habe dich nicht verstanden», sagte sie in ihr Handy.
    «Ich habe gerade gesagt, dass sie hier ist», sagte Lol.
    Merrily schloss die Augen und legte den Kopf zurück.
    «Gott sei Dank.»
    «Und den Artikel im
Guardian
», sagte Lol, «lese ich dir jetzt vor.» Während er las, kurbelte Merrily sämtliche Fenster herunter.
    «Es könnte schlimmer sein, oder? Sie hat nur bei ihrem Alter gelogen.»
    «Damit sie als Volljährige durchgeht», sagte Lol.
    «Und natürlich ihre Ausdrücke …
Beschränkte Spießer
, verflixt. Aber was eigentlich am schlimmsten ist …»
    «Dass sie es dir nicht gesagt hat.»
    «Genau. Das ist das Allerschlimmste.»
    «Es ist alles so schnell gegangen, und du warst nicht da. Aber sie weiß, dass sie es dir hätte erzählen sollen.»
    «Ich bin eine vollkommen unfähige Mutter. Ich komme nach Hause. In einer Stunde bin ich da.»
    «Nein», sagte Lol. «Mach das nicht.»
    «Nicht?
Au!
» Merrily nahm ihren bloßen Unterarm vom glühend heißen Fensterrand des Volvo. «Wie war das? Komm nicht nach Hause?»
    «Ich meine, noch nicht. Hier ist ein Fernsehteam unterwegs, die würden dich an der Haustür abfangen, und du wüsstest nicht, was du sagen sollst.»
    «Da hast du wahrscheinlich recht.»
    «Warte lieber bis zum späten Nachmittag. Dann sind sie bestimmt weg. … Und wie läuft es bei dir so?»
    «Wenn du schon fragst: Mir geht diese ganze Sache langsam ziemlich auf die Nerven.»
    Es war gut, alles bei ihm abladen zu können. Von Stella Cobham bis zu den widersprüchlichen Äußerungen Winnie Sparkes erzählte Merrily Lol jede Einzelheit.
    «Zuerst spielt sie die New-Age-Heidin mit heiligen Quellen und Wassergöttinnen und so weiter – und dann macht sie plötzlich auf erzkatholisch und hackt auf weiblichen Pfarrern herum! Es ist wirklich schwer, höflich zu bleiben, wenn dir jemand so einen Mist erzählt.»
    «Ich hatte auch ein interessantes Gespräch.»
    Lol berichtete Merrily von Dan, dem Chormitglied, der glaubte, in der Zusammenarbeit mit Loste den Durchbruch in höhere Dimensionen geschafft zu haben.
    «Das war bestimmt schön für ihn. Wo wir von der anglikanischen Kirche ja allesamt spirituell unterernährt sind.»
    «Immerhin bist du bei alldem nicht verbittert und zynisch geworden.»
    «Sparke …» Merrily wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. «Winnie Sparke hat behauptet, ich wäre nicht in der Lage, die Tiefgründigkeit ihres Projekts zu verstehen. Sie meinte, ich wäre
nicht weit genug, um das Erhabene zu spüren

    «Dieses Miststück», sagte Lol.
    «Wird Zeit, dass ich mit Spicer rede. Und zwar Tacheles. Passt du auf Jane auf?»
    «Merrily, du klingst, als …»
    «Und Morrell muss ich auch noch anrufen.»
     
    Morrell. Man
versuchte
, diese Leute zu mögen – als Pfarrerin versuchte man schließlich alle Menschen zu mögen, aber bei Morrell …
    «Bevor Sie irgendetwas sagen, Mr. Morrell, es ist allein meine Schuld. Ich habe dafür gesorgt, dass Jane nicht zur Schule geht, weil ich fand, Sie sollten nicht auch noch in die Sache hineingezogen werden, und außerdem ist das Schuljahr ohnehin bald zu Ende …»
    «Allerdings», sagte Morrell, «wissen Sie ja, dass der übliche Weg gewesen wäre, mich vorher zu fragen. Es hätte durchaus sein können, dass ich zugestimmt hätte.»
    «Ja, aber dazu war keine Zeit. Ich meine, es stand ja schon in der Zeitung … und ich hatte einen Termin.»
    «Sie
wussten nicht
, dass es in die Zeitung kommen würde?»
    «Also … nicht an diesem bestimmten Tag.»
    «Aber Sie wussten offensichtlich, Mrs. Watkins, dass sich Jane auf diesen Wahnsinn eingelassen hatte.»
    «Wahnsinn? Was ist so wahnsinnig daran, ein …?»
    «Und zwar unter dem Vorwand eines Kunstprojekts für die Schule. Und ohne mich zu informieren.»
    «Jane zufolge wussten Sie von dem Kunstprojekt.»
    «Was ich ganz bestimmt
nicht
wusste, war, dass sie mit diesem unwissenschaftlichen Unsinn an die Presse gehen wollte. Aber ich hatte sie gewarnt, dass ein wiederholtes unentschuldigtes Fehlen wegen einer absurden

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