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Ein dunkler Ort

Ein dunkler Ort

Titel: Ein dunkler Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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plötzlich wusste ich es. ›Gran‹, hab ich gesagt, ›Gran, das Flugzeug ist abgestürzt.‹ Sie hat mich angeguckt, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. ›Was für ein Flugzeug?‹, hat sie gesagt. ›Das von Mom und Dad‹, hab ich geantwortet. ›Es ist abgestürzt.‹ Sie hat mich immer noch angestarrt und dann sagte sie: ›Darüber macht man keine Witze!‹ Sie war so sauer auf mich, dass sie nicht mehr mit mir reden wollte. Und später am Abend haben wir es in den Nachrichten gehört.«
    »Du hast gesagt, du hattest einen Traum«, erinnerte Kit sie.
    »Nicht in jener Nacht. Ich glaube, in der ersten Nacht hat keiner von uns geschlafen. Aber am nächsten Tag, nach der offiziellen Benachrichtigung, fing ich an zu weinen und konnte nicht wieder aufhören. Mein Opa hat einen Arzt geholt, der mir eine Spritze gegeben hat. Danach bin ich eingeschlafen und da hatte ich diesen Traum.
    »Dad und Mom waren da, sie standen Hand in Hand neben dem Bett. Mom sagte: ›Sandy, du musst dich zusammenreißen.‹ Im Traum hab ich ihr geantwortet. Ich hab gesagt: ›Aber ihr seid tot! Ich weine, weil ihr tot seid!‹ Und Dad sagte: ›Deine Mutter und ich sind zusammen. Für uns ist das das Wichtigste. Wir sind glücklich, und du musst es auch sein.‹«
    Kit sah auf ihre Hände, die so fest geballt waren, dass ihre Knöchel weiß schimmerten.
    »Hast du das jemandem erzählt?«
    »Ich hab’s versucht«, sagte Sandy, »aber niemand wollte mir zuhören. Sie haben nur gesagt, dass alle seltsame Träume haben, die derart aufwühlend sind.«
    »Mir wollte auch keiner glauben«, sagte Kit leise.
    »Dir?« Sandy starrte sie an.
    »Als mein Vater gestorben ist. Nur hab ich das nie für einen Traum gehalten. Er war da, in meinem Zimmer, er war wirklich da. Das weiß ich.«
    Eine Weile saßen die beiden schweigend da und schauten einander an. Sandys Augen wirkten riesig in ihrem schmalen Gesicht und die Sommersprossen hoben sich scharf von ihrer blassen Haut ab. Kit zitterte, aber diesmal nicht wegen der Kälte.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Sandy schließlich. »Das kann kein Zufall sein. Wir haben beide ähnliche Erlebnisse gehabt. Und heute Nacht … die verschlossene Tür, die Frau an meinem Bett …«
    »Ich hab keine Ahnung, was das bedeutet«, sagte Kit. »Aber eins sag ich dir: Ich werde es herausfinden.«

SECHS
    Den Rest der Nacht verbrachten sie in Kits Zimmer. Sie redeten nicht, aber Kit war zum Schlafen viel zu aufgedreht, und Sandy, die stocksteif neben ihr im Bett lag, war ebenfalls wach, das konnte Kit an ihrer Atmung hören. Erst als draußen vor dem Fenster die erste Morgenröte über den Himmel zog, nickte sie endlich ein, und als sie die Augen wieder aufschlug, stellte sie fest, dass es schon nach acht war. Sandy war nicht mehr im Zimmer. Kit stand auf, zog sich an und ging zum Frühstück runter ins Esszimmer. Ruth und Lynda waren gerade mit ihrem Toast fertig.
    »Sandy war hier, vor ein paar Minuten«, beantwortete Ruth Kits unausgesprochene Frage. »Sie war nicht hungrig und wollte nur Kaffee, und dann hatte sie eine Frühstunde bei Professor Farley. Ich glaub, er hilft ihr in Algebra.«
    »Wie sah sie aus?«, wollte Kit wissen.
    »Furchtbar«, sagte Lynda. »Vielleicht hat sie sich was eingefangen. Sie hatte Ringe unter den Augen und sah total fertig aus. Übrigens siehst du auch nicht viel besser aus.« Sie musterte Kit nachdenklich. »Geht hier in Blackwood etwa eine Art Grippe um?«
    »Nicht, dass ich wüsste«, sagte Kit. »Wir waren beide den größten Teil der Nacht wach. Sandy hatte geträumt und war schreiend aufgewacht, und ich bin eine Zeit lang bei ihr geblieben, und dann ist sie mit in mein Zimmer gekommen. Hast du uns nicht gehört? So wie sie gekreischt und ich an die Tür gehämmert habe, hätten wir Tote aufwecken können.«
    Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, als ihr die Wortwahl bewusst wurde.
    »Hab nichts gehört«, sagte Lynda. »Und du, Ruth?«
    »Kann schon sein«, sagte Ruth. »Ich hatte eine unruhige Nacht, da bin ich vielleicht irgendwie aufgewacht, war aber nicht ganz da. In letzter Zeit träume ich auch so viel.«
    »Echt?« Kit erstarrte bei dieser Bemerkung. »Was sind das für Träume?«
    »Keine Ahnung«, sagte Ruth achselzuckend. »Wenn ich wach werde, erinnere ich mich nicht mehr dran. Ich hab morgens nur immer das Gefühl, dass es die ganze Nacht so ging.«
    »Ich weiß genau, wovon du redest«, sagte Lynda. »Wenn der blöde Wecker klingelt, kann

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