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Ein dunkler Ort

Ein dunkler Ort

Titel: Ein dunkler Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Dunkelheit des Flurs erstreckte sich vor ihr, nur ein Streifen Licht fiel aus ihrer Tür. Dahinter war nichts als Stille und Dunkelheit.
    Kit stand mit einer Hand auf dem Türknauf da und lauschte. Die einzigen Geräusche, die sie wahrnehmen konnte, waren das dumpfe Hämmern ihres Herzens und ihre hektisch keuchenden Atemzüge.
    Vielleicht hab ich mir das nur eingebildet , dachte sie. Vielleicht bin ich ein wenig eingenickt und hab geträumt.
    Und dann hörte sie es … dieses Mal war es kein Schrei, sondern ein kleines Stöhnen, halb Schluchzen, halb Wimmern. Es schien vom anderen Ende des Flurs her zu kommen, dort lag Sandys Zimmer.
    Na, das war’s dann wohl , sagte Kit sich. Ich muss zu ihr.
    Sie atmete tief durch, so als würde sie sich auf einen Kopfsprung in eisiges Wasser vorbereiten, und blieb noch einen Moment auf dem Lichtstreifen stehen. Dann machte sie sich aufs Schlimmste gefasst und wagte sich hinaus in die Finsternis.
    Einen Augenblick lang kam es ihr tatsächlich so vor, als hätte sie sich ins Wasser gestürzt. Um sie herum erhob sich die Dunkelheit, stieg ihr in Augen, Nase, Ohren, drang von allen Seiten auf sie ein, sodass es ihr den Atem verschlug. Als ihre anfängliche Panik aber nachließ, zwang sie sich dazu, ihre Brust mit Luft zu füllen. Sie streckte die Hand aus und tastete nach der Wand, fand sie und tastete sich daran entlang, ganz vorsichtig. Schritt für Schritt, ging sie den Flur entlang auf Sandys Zimmer zu.
    Bei jedem Schritt prüfte sie den Fußboden vor sich mit den Zehen. Das war albern, das wusste sie, aber es war völlig finster, sodass sie das Gefühl hatte, sie bewege sich ins Nichts hinein. Der Boden könnte sich plötzlich unter ihr auftun, vielleicht war er auch nie da gewesen – und gleich würde sie in den unendlichen Raum stürzen. Oder, schlimmer noch, wenn da nun etwas war, wenn da etwas vor ihr auf sie lauerte, dessen Existenz sie sich nicht einmal vorstellen konnte? Ein Schauder erfasste sie und sie drehte den Kopf und schaute sich nach dem tröstlichen Licht um, das aus ihrem Zimmer fiel.
    Und während sie zurückschaute, sah sie, wie der Lichtstreifen immer kleiner wurde. Langsam, aber stetig nagte die Dunkelheit an ihm.
    Das ist doch unmöglich , dachte Kit hektisch. Und dann mit einem kurzen, heftigen Klick fiel die Tür zu und der ganze Flur war in Finsternis gehüllt. Keine Panik , sagte Kit sich streng. Die Tür wurde zugeweht, weiter nichts.
    Aber wie konnte das sein, ganz ohne Wind? Im Flur regte sich kein Luftzug. Das Buntglasfenster am Ende des Ganges war fest versiegelt.
    Sollte sie weiter vorangehen oder umkehren und sich zurück in ihr Zimmer tasten? Schon der Gedanke an die Sicherheit dieses erleuchteten Zufluchtsorts erweckte in ihr das Verlangen, auf der Stelle umzukehren. Aber das änderte nichts an den Tatsachen: Jemand hatte geschrien, gewimmert, geschluchzt.
    Ich hab keine Wahl , dachte Kit, ich muss gehen. Ich muss herausfinden, was hier los ist.
    Immer eine Hand an der Wand, um die Orientierung ja nicht zu verlieren, tastete sie sich Schritt für Schritt den Flur entlang. Die Dielen knarrten ein wenig unter ihren Füßen und in der Stille kam ihr dieses Geräusch vor wie ein Kreischen. Als ihre Hand endlich Sandys Tür berührte, atmete sie zittrig, aber erleichtert durch.
    Sie langte nach dem Türknauf und fand ihn auch. Doch als sie versuchte, ihn zu drehen, gelang ihr das nicht.
    »Abgeschlossen!« Kit sprach das Wort laut aus, sie konnte es nicht glauben. Wie konnte Sandy es nur geschafft haben, die Tür zu verschließen, wenn das Schloss außen angebracht war?
    Kit ließ den Knauf los und klopfte scharf mit den Fingerknöcheln gegen das dicke Holz. Das Geräusch dröhnte durch die Nacht.
    Irgendwo aus dem Zimmer drang ein kleines Stöhnen zu ihr heraus.
    »Sandy!« Kit war jetzt wirklich besorgt. Mit der geballten Faust fing sie an die Tür ernsthaft zu bearbeiten, ihr war völlig egal, wen sie mit dem Lärm aufwecken würde. »Sandy, sag doch was! Ist alles in Ordnung mit dir da drinnen? Sandy?«
    Als keine Antwort kam, packte sie den Türknauf erneut und drehte ihn aus schierer Verzweiflung ein letztes Mal. Zu ihrem Erstaunen ließ er sich nun ganz leicht bewegen und die Tür ging auf. Im selben Moment schlug ihr ein Schwall kalter Wind entgegen, so feucht und eisig, als käme er direkt aus der Arktis.
    »Sandy?« Als Kit das Zimmer betrat, wusste sie mit einer präzisen, unerklärlichen Sicherheit, dass ihre Freundin nicht allein war

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