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Ein dunkler Ort

Ein dunkler Ort

Titel: Ein dunkler Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Wir haben doch nie richtig miteinander geredet, immer nur in der Gruppe.
    Aber das Mädchen auf dem Bild war unverkennbar.
    »Kit?«, rief Sandy ihr von der Treppe aus zu. »Madame hat zum Essen geläutet. Beeil dich, sonst kommst du zu spät.«
    »Bin schon da«, rief Kit zurück.
    Sie knipste das Licht aus und verließ das Zimmer. Die Tür zog sie hinter sich zu. Sie zögerte eine Sekunde und ging noch einmal ins Zimmer zurück und holte den Schlüssel vom Sekretär, der dort seit ihrer Ankunft in Blackwood gelegen hatte. Dann ging sie wieder auf den Flur.
    Dieses Mal steckte sie den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um. Sie wusste nicht genau, warum sie das tat, aber zum ersten Mal, seit sie hier war, hatte sie das Gefühl, etwas von Wert in ihrem Zimmer aufzubewahren.
    Das Abendessen gehörte zu den angenehmsten Stunden in Blackwood. Alle Mahlzeiten wurden im prunkvollen Esszimmer serviert, aber nur das Abendessen wurde bei Kerzenlicht eingenommen, mit einem weißen Damasttischtuch, passenden Servietten und feinem Porzellan. Die Schüsseln waren reinweiß und dünn und die Teller hatten einen zarten Goldrand.
    »Sie gehören zur Ausstattung von Blackwoood«, erklärte Madame Duret, als Kit sie fragte. »Das Geschirr, die Küchengeräte, Möbel, das Klavier, die Vorhänge und Teppiche, das alles ist schon seit vielen Jahren im Haus. Die Möbel in meiner eigenen Wohnung haben wir mitgebracht. Ich habe sie hierher verschiffen lassen, nachdem ich meine Schule in England geschlossen hatte, genau wie die Möbel in dem umgebauten Kutscherhaus, in dem Professor Farley wohnt. Und natürlich die in den Zimmern, die ihr Mädchen bewohnt.«
    »Es ist seltsam«, sagte Kit, die sich das Porzellan genau ansah, »dass so etwas Schönes einfach zurückgelassen worden ist. Man sollte doch meinen, die Besitzer hätten es behalten wollen.«
    »Es ist seltsam«, hatte Madame ihr beigepflichtet, »aber Menschen sind eben manchmal eigenartig, nicht wahr? Nach Mr Brewers Tod wollten die neuen Besitzer nichts mit Blackwood zu tun haben und das Haus so schnell wie möglich verkaufen. Es ist schade, aber das war unser Glück.«
    Das Porzellan gab die Atmosphäre vor. Das Abendessen war eine elegante Mahlzeit, die in mehreren Gängen serviert wurde. Madame Duret war dabei nicht so sehr die Schulleiterin, sondern eher die liebenswürdige Gastgeberin, die ihre Gäste mit interessanten Geschichten über ihr Leben im Ausland unterhielt. Jules trug gelegentlich auch etwas zum Gespräch bei, ebenso wie Professor Farley, der in Madames Schule in England unterrichtet hatte, jedoch nicht in der in Frankreich. Die Unterhaltung entfaltete sich frei, alle Mädchen beteiligten sich am Gespräch und in der Regel waren am Ende des Essens alle guter Dinge und bereit, in den Salon hinüberzugehen oder nach oben auf ihre Zimmer zum Lernen.
    Doch an diesem Abend war es anders.
    Der Raum war wie aufgeladen von einer besonderen Stimmung, irgendwie elektrisch. Das Gespräch lief gut, aber Kit fand, es hatte etwas Künstliches, als ob die Sprechenden Rollen spielten und nicht wirklich mit den Gedanken beim Thema waren. Irgendwann bekam sie mit, dass Madame und Professor Farley Blicke wechselten. Soweit sie sehen konnte, gab es dafür keinen Grund, aber als Madame Duret sich wieder den anderen zuwandte, schienen ihre Augen zu glänzen vor unterdrückter Aufregung. Oder vielleicht war es auch nur das Flackern der Kerzen, das sich in den schwarzen Pupillen spiegelte.
    Nach dem Abendessen, Kit war schon auf dem Weg zur Treppe, holte Sandy sie ein und legte ihr die Hand auf den Arm.
    »Lass uns eine Weile nach draußen gehen«, sagte sie leise.
    »Raus? Bei Nacht? Warum denn das?«
    »Nur in den Garten. Ich muss mit dir reden. Bitte?«
    »Na gut«, sagte Kit. »Aber wir schleichen uns am besten durch die Küche raus. Madame hat bestimmt was dagegen, wenn wir im Dunkeln durchs Gelände streifen.«
    In der Küche räumte Natalie gerade das Silber weg. Sie musterte die beiden scharf.
    »Wo wollt ihr Mädchen denn hin?«
    »Nach draußen«, sagte Kit. »Luft schnappen.« Natalies Schärfe hatte Kit nie gestört, sie wusste, dass das Mädchen sie mochte, und das war eben ihre Art.
    »Kann ich euch nicht verdenken«, sagte Natalie jetzt. »Es mieft hier. Die anderen Hausangestellten haben alle gekündigt.«
    »Ist nicht wahr!«, rief Kit. »Warum?«
    »Es gefällt ihnen hier einfach nicht, besonders oben. Sie sagen, sie gruseln sich, wenn sie da im Gang sauber machen.

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