Ein Earl kommt selten allein (German Edition)
sie ziemlich verzweifelt. »Wieso sollte ich ihren Hintern sehen wollen?«
»Ich habe keine Ahnung«, gab er etwas flau zu.
Sie murmelte leise etwas vor sich hin, das so klang wie »Dummer Earl Dicky«, und kroch jetzt von allein auf ihr Bett, wobei kurz ihr seidenbedecktes Hinterteil vor ihm hin und her wackelte, ehe sie es herumschwenkte und sich daraufsetzte. Sie blinzelte ihn an und runzelte die Stirn. »War da nicht was, das ich tun sollte?«
Richard räusperte sich. »Schlafen. Du solltest jetzt schlafen, und ich sollte jetzt in mein Zimmer gehen.«
Aber er blieb einfach stehen und starrte sie an. Sie saß mitten auf dem Bett, der eine Träger ihres Nachthemds war halb von der Schulter gerutscht, sodass die obere Wölbung der einen Brust zu sehen war. Hatte er sie wirklich für unattraktiv gehalten? Die Vorstellung, seinen Bruder herauszufordern, musste ihn so unter Druck gesetzt haben, dass er nicht hatte klar denken können. Er hatte inzwischen den Eindruck, als würde diese verfluchte Frau jedes Mal, wenn er sie ansah, attraktiver werden.
»Ich bin sicher, dass da was war, das ich tun sollte.«
Ihre quengeligen Worte rissen ihn aus seinen Gedanken darüber, was er nun von ihrem Busen sehen konnte oder nicht. Richard zwang sich, sich umzudrehen und auf die Verbindungstür zuzugehen. »Ich bin mir sicher, es war nichts Wichtiges. Gute Nacht.«
Er betrat sein Schlafzimmer, schloss die Tür und lehnte sich erschöpft mit dem Rücken dagegen.
»Kann ich jetzt deinen Hintern sehen?«, wiederholte er ungläubig murmelnd ihre Worte. Du lieber Himmel, diese Frau war wirklich voller Überraschungen. Nach dem, was er bisher mitbekommen hatte, würde das Leben mit ihr nicht langweilig werden. Sie hatte ihren toten Gemahl in Eis gepackt und war danach tatsächlich auf einen Ball gegangen. Natürlich hatte sie es getan, um ihre Schwestern vor dem Ruin zu bewahren. Es war nicht so, als hätte sie sich wegen des Skandals große Sorgen gemacht. Christiana hatte erzählt, dass dies ihr erster Ball gewesen war, was Daniel ihm auf der Fahrt zum Stadthaus in der Kutsche bestätigt hatte. Es schien, als hätten sich George und Christiana das ganze vergangene Jahr nicht in der Gesellschaft gezeigt. Sie waren weder auf einem Ball gewesen, noch irgendwo zum Tee oder bei irgendwelchen Soirees, hatten keine Einladungen zum Abendessen angenommen oder das Theater besucht. Und Richard wusste auch, warum: George hatte jeglichen gesellschaftlichen Umgang vermieden, um zu verhindern, dass irgendjemand auf die Idee kommen könnte, dass er möglicherweise nicht Richard war. Er vermutete, dass er vorgehabt hatte, das gesellschaftliche Leben ein oder zwei Jahre zu meiden, um erst wieder zurückzukehren, wenn die Erinnerungen ein bisschen verblasst waren. Dann hätte man ihn nicht mehr so leicht erkannt, was bedeutete, dass Christiana mit ihm in Abgeschiedenheit gelebt hatte und vollkommen von George abhängig gewesen war, was ihren gesellschaftlichen Umgang anging.
»Arme Frau«, murmelte er und trat von der Tür zurück. Dann blieb er stehen, als er begriff, dass er jetzt im abgeschlossen Schlafzimmer des Hausherrn regelrecht eingesperrt war … und er hatte es auch noch selbst getan.
»Zur Hölle.« Er warf einen Blick auf die Tür, durch die er gerade gekommen war. Auf diesem Weg konnte er nicht hinausgehen. Christiana war noch hellwach und würde nur darauf bestehen, ihm den Schlüssel zu besorgen, und dabei Daniel in Suzettes Zimmer entdecken. Er wollte nicht, dass sein Freund zu einer Heirat gezwungen sein würde, um Suzettes Ruf zu retten. Es genügte voll und ganz, dass einer von ihnen in einer unerwünschten Ehe steckte.
Richard sah sich auf der Suche nach einem anderen Fluchtweg im Zimmer um. Er konnte versuchen, das Schloss der Tür aufzubrechen, die zum Korridor führte, aber er vermutete, dass er hier im Zimmer nichts Geeignetes finden würde, um so etwas zu tun.
Schließlich fiel sein Blick auf das Fenster, und er verzog das Gesicht. Es sah so aus, als würde er das Zimmer auf die gleiche Weise wieder verlassen müssen, wie er es heute Abend das erste Mal betreten hatte – nämlich durch das Fenster –, wenn er sich mit Daniel treffen und um Georges Leiche kümmern wollte.
Er schüttelte den Kopf angesichts der Streiche, die das Schicksal ihm zu spielen schien, und ging leise zum Fenster. Jemand hatte es geschlossen, seit er und Daniel die Leiche von George aus dem Zimmer geschafft hatten. Richard öffnete es jetzt
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