Ein Earl mit Mut und Leidenschaft
korrigierte Frances.
„Zehn?“, wiederholte Daniel. Ihm wurde allmählich schwindelig.
„Minuten“, erklärte Frances.
„Es waren keine zehn.“
Er hatte keine Ahnung, wer das gesagt hatte, alle plapperten wild durcheinander.
„Nun, fünf auch nicht.“
Oder das.
„Wir können uns auf acht einigen, aber ich glaube nicht, dass das stimmt.“
„Warum redet ihr alle so schnell?“ Daniel musste die Frage stellen.
Die drei hielten inne, musterten ihn verwundert.
„Wir reden doch nicht schnell“, sagte Elizabeth.
Und Harriet fügte hinzu: „Wir reden immer so.“
Frances erklärte ihm schließlich: „Die anderen verstehen uns alle.“
Wirklich bemerkenswert, dachte Daniel, wie drei junge Mädchen ihm die Sprache rauben konnten.
„Ich frage mich, was Miss Wynter aufhält“, überlegte Harriet laut.
„Jetzt gehe ich sie holen“, verkündete Elizabeth und warf Frances einen Blick zu, der besagte, dass sie sie äußerst ineffektiv fand.
Frances winkte nur ab.
Doch gerade als Elizabeth den Eingang zu den Stallungen erreicht hatte, kam die fragliche Dame heraus. In ihrem taubengrauen Straßenkleid und dem passenden Hut wirkte sie sehr gouvernantenhaft. Sie streifte sich die Handschuhe über und betrachtete stirnrunzelnd etwas, das Daniel nur für ein Loch halten konnte.
„Das ist also Miss Wynter“, sagte er laut, ehe sie ihn entdeckt hatte.
Sie sah auf, verbarg ihren Schrecken aber geschickt.
„Ich habe so prächtige Dinge über Sie gehört“, sagte er liebenswürdig und trat vor, um ihr seinen Arm zu bieten. Als sie die Hand darauf legte - widerstrebend, wie Daniel vermutete -, neigte er sich zu ihr und murmelte so leise, dass nur sie es hören konnte: „Überrascht?“
4. Kapitel
Sie war nicht überrascht.
Warum sollte sie überrascht sein? Er hatte ihr sein Kommen angekündigt, und war auch dann dabei geblieben, als sie erklärt hatte, sie würde dann eben nicht zu Hause sein. Er hatte erwidert, dass er wiederkäme, und zwar so lange, bis er sie antreffe, vollkommen ungeachtet der Tatsache, dass sie seinen Besuch nicht erwünschte.
Er war der Earl of Winstead. Männer in seiner Stellung taten, was ihnen gefiel. Wenn es allerdings um Frauen geht, tun auch Männer, die gesellschaftlich weit unter ihm stehen, was ihnen gefällt, dachte sie verärgert.
Er war nicht bösartig, nicht einmal selbstsüchtig. Anne war der Meinung, dass sie sich im Lauf der Jahre eine gute Menschenkenntnis erworben hatte, eine bessere jedenfalls, als sie mit sechzehn gehabt hatte. Eine Frau, der nicht klar war, worauf sie sich einließ, würde Lord Winstead nicht verführen, und er würde auch niemanden ruinieren, bedrohen, erpressen oder dergleichen, zumindest nicht mit Absicht.
Wenn ihr Leben durch diesen Mann auf den Kopf gestellt wurde, dann nicht, weil es in seiner Absicht lag. Es würde einfach passieren, weil er sie begehrte und er wollte, dass sie ihn ebenfalls begehrte. Er käme gewiss nie auf den Gedanken, dass er sich nicht erlauben dürfte, ihr nachzustellen.
Er durfte schließlich alles. Warum also nicht auch das?
„Sie hätten nicht kommen sollen“, sagte sie leise, während sie zum Park schlenderten, die drei Pleinsworth-Mädchen ein paar Schritte vor ihnen.
„Ich wollte meine Cousinen besuchen“, erklärte er, ganz das Unschuldslamm.
Sie warf ihm einen schrägen Blick zu. „Warum gehen Sie dann mit mir statt mit den dreien?“
„Sehen Sie sie doch an“, meinte er und deutete auf die Mädchen vor ihnen. „So brav darf man die Schwestern nur selten erleben. Warum soll ich da stören?“
Er hatte recht. Harriet, Elizabeth und Frances liefen artig nebeneinander her, außen die Älteste, innen die Jüngste, wie ihre Mutter es ihnen eingeschärft hatte. Anne konnte nicht fassen, dass sie ausgerechnet diesen Tag gewählt hatten, um sich an die Anweisungen zu halten.
„Wie geht es Ihrem Auge?“, erkundigte sie sich. Im harten Tageslicht sah es noch schlimmer aus, beinahe, als breitete sich der blaue Fleck über die Nasenwurzel aus. Doch zumindest wusste sie nun, welche Farbe seine Augen hatten - strahlend hellblau. Es war beunruhigend, dass sie sich derart für ihn interessierte.
„Es ist nicht so schlimm, solange ich es nicht berühre“, sagte er. „Wenn Sie darauf verzichten würden, mir Steine ins Gesicht zu werfen, wäre ich Ihnen sehr verbunden.“
„Da gehen sie hin, meine Pläne für den Nachmittag“, scherzte sie. „Einfach so zerstört.“
Er lachte, und Anne
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