Ein Earl mit Mut und Leidenschaft
er ihnen. Er fand es überflüssig zu erwähnen, dass er nicht nach Paris hätte reisen können, selbst wenn er gewollt hätte. Lord Ramsgate hatte zu viele Freunde dort.
„Vielleicht brauchen wir jetzt nicht spazieren zu gehen“, meinte Harriet hoffnungsvoll. „Ich würde viel lieber hier bei Vetter Daniel bleiben.“
„Ah, ich würde aber lieber die Sonne genießen“, sagte er. „Vielleicht begleite ich euch in den Park.“
Sarah schnaubte wieder, allerdings etwas weniger damenhaft als zuvor.
Er blickte zu ihr hinüber. „Hast du was in den falschen Hals bekommen, Sarah?“
Ihr Blick verriet puren Sarkasmus. „Vermutlich Nachwirkungen von dem, was mich letzten Abend außer Gefecht gesetzt hat.“
„Miss Wynter sagt, dass sie bei den Stallungen auf uns wartet“, verkündete Frances, die eben in den Salon zurückkam.
„Den Stallungen?“, wiederholte Elizabeth. „Wir reiten doch nicht aus.“
Frances zuckte mit den Achseln. „Sie sagte, bei den Stallungen.“
Harriet stieß ein begeistertes Keuchen aus. „Vielleicht hat sie ein Faible für einen der Stallburschen entwickelt.“
„Du liebe Güte“, spottete Elizabeth. „Einen der Stallburschen? Also ehrlich.“
„Na, du musst aber zugeben, dass es sehr aufregend wäre, wenn es stimmte.“
„Für wen? Für sie gewiss nicht. Ich glaube nicht, dass einer von ihnen überhaupt lesen kann.“
„Liebe macht blind“, scherzte Harriet.
„Aber nicht ungebildet“, erwiderte Elizabeth.
Das entlockte Daniel doch ein Lachen. „Sollen wir aufbrechen?“, fragte er und verneigte sich höflich vor den Mädchen. Er bot Frances seinen Arm, die ihn mit einem spitzbübischen Blick in Richtung ihrer Schwestern nahm.
„Viel Spaß!“, rief Sarah ihnen nach. Es klang sehr unaufrichtig.
„Was ist nur mit ihr los?“, fragte Elizabeth Harriet, während sie sich auf den Weg nach draußen machten.
„Ich glaube, sie regt sich immer noch auf, weil sie das Konzert gestern Abend verpasst hat“, entgegnete Harriet. Sie sah zu Daniel. „Hast du gehört, dass Sarah die musikalische Soiree verpasst hat?“
„Ja.“ Er nickte. „Ihr war schwindelig, nicht wahr?“
„Ich dachte, es wäre eine Erkältung“, sagte Frances. „Magenschmerzen“, widersprach Harriet entschieden. „Aber es hat keine Rolle gespielt. Miss Wynter, unsere Gouvernante“, fügte sie zu Daniel gewandt hinzu, „war großartig.“
„Sie hat Sarahs Part übernommen“, meinte Frances.
„Ich glaube nicht, dass sie wollte“, ergänzte Elizabeth. „Mutter kann ziemlich überwältigend sein.“
„Unsinn“, mischte Harriet sich ein. „Miss Wynter war von Anfang an heldenhaft. Und sie hat ihre Sache sehr gut gemacht. Einmal hat sie den Einsatz verpasst, aber ansonsten war sie einfach hervorragend.“
Hervorragend? Daniel seufzte in Gedanken laut auf. Es gab eine ganze Menge Adjektive, mit denen man Miss Wynters Fähigkeiten am Pianoforte hätte beschreiben können, doch hervorragend gehörte nicht dazu. Aber Harriet war offenbar anderer Meinung ...
Nun, wenn es für sie Zeit wurde, im Quartett mitzuspielen, wäre sie dort bestens aufgehoben.
„Ich frage mich, was sie bei den Stallungen will“, sagte Harriet, als sie in den weitläufigen Garten traten. „Geh sie holen, Frances.“
Frances machte ein empörtes Gesicht. „Warum ich?“
„Darum.“
Daniel gab Frances’ Arm frei. Mit Harriet würde er sich auf keine Diskussionen einlassen, er war sich nicht sicher, ob er schnell genug sprechen konnte, um zu gewinnen. „Ich warte gleich hier auf dich, Frances“, sagte er.
Frances marschierte davon, nur um gleich darauf zurückzukehren. Allein.
Daniel runzelte die Stirn. Das hatte er sich anders vorgestellt.
„Sie sagte, sie würde gleich nachkommen“, informierte Frances sie.
„Hast du ihr erzählt, dass Vetter Daniel bei uns ist?“, fragte Harriet.
„Nein, das habe ich vergessen.“ Sie zuckte mit den Achseln. „Sie hat bestimmt nichts dagegen.“
Da war sich Daniel nicht so sicher. Miss Wynter hatte bestimmt mitbekommen, dass er im Salon gewesen war (daher auch ihre Flucht zu den Stallungen), aber damit, dass er sie in den Park begleiten wollte, rechnete sie wohl nicht.
Es würde ein wunderbarer Ausflug werden. Sogar vergnügt.
„Was meinst du wohl, warum sie so lange braucht?“
„Sie ist doch noch gar nicht so lang weg“, entgegnete Harriet.
„Also, das stimmt nicht. Vor unserer Ankunft war sie mindestens fünf Minuten dort. “
„Zehn“,
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