Ein echter Schatz
auf Schritt und Tritt überwachen.«
»Wie immer«, sagte Ranger.
Ich stieg in meinen Crown Vic, steckte den Schlüssel in den Anlasser und stellte die Heizung auf volle Pulle. Ich sah in den Rückspiegel, Ranger war weg.
Ich betrachtete die Fotos von Peter Smullen, unauffälliger Typ mit Stirnglatze, Bierbauch und dunklem Bartschatten. Die Lippen sahen aus wie eine Flunder. Laut Akte war er etwas über 1,70 m groß, verheiratet, zwei Kinder, zwanzig und zweiundzwanzig Jahre alt.
Kinder und Frau lebten in Kolumbien. Smullen hatte ein Einzimmerapartment in Hamilton Township. Wenn er in der Stadt war, fuhr er um Punkt acht Uhr in ein Parkhaus, einen Häuserblock von der Kanzlei entfernt, und bestellte sich bei Starbucks um die Ecke einen dreifachen Frappuccino.
Da würde ich ihm auflauern, im Starbucks.
Ich klappte die Akte zu, drehte mich zur Seite, um sie auf den Beifahrersitz zu legen, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde. Joyce Barnhardt giftete mich an und nannte mich eine Schlampe.
Mit den zehn Zentimeter hohen Pfennigabsätzen an ihren schwarzen Boots brachte es Joyce auf immerhin 1,80 m. Sie trug einen schwarzen Ledermantel mit Kunstpelzkragen, ihre Äuglein brachte sie mit künstlichen, strassbesetzten Wimpern zur Geltung, und ihre rotlackierten Fingernägel waren lang und furchterregend. Gekrönt wurde die Staffage von glänzenden, roten Haaren, die in lockigen Wellen auf ihre Schultern fielen. Modisch war Joyce über Farah Fawcett nie hinausgekommen.
Ich sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. »Soll das eine gepflegte Unterhaltung werden?«, fragte ich sie.
»Du hast ihn umgebracht. Du hast herausgefunden, dass wir ein Paar sind, und das hast du nicht verkraftet. Deswegen hast du ihn umgebracht.«
»Ich hab ihn nicht umgebracht.«
»Ich war kurz davor, den kleinen Scheißer zu heiraten, und du hast das kaputt gemacht. Weißt du überhaupt, was der Kerl wert ist? Ein Scheißvermögen. Du hast ihn umgebracht, und jetzt kriege ich gar nichts. Ich hasse dich!«
Ich drehte den Motorschlüssel um und legte den ersten Gang ein. »Ich muss jetzt los«, sagte ich zu Joyce. »War schön, mal wieder mit dir zu plaudern.«
»Ich bin noch nicht fertig«, sagte Joyce. »Ich habe gerade erst angefangen. Das zahle ich dir heim. Ich mache dir das Leben zur Hölle.« Joyce zog eine Pistole aus ihrer Manteltasche und richtete sie auf mich. »Ich schieße dir die Augen aus dem Kopf. Danach schieße ich dir in die Füße, dann in die Knie, dann in den Hintern…«
Ich trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch und raste wie eine Rakete los, die Tür stand immer noch offen. Joyce gab zwei Schüsse ab, einer traf das Heckfenster. Ich guckte in den Rückspiegel und sah, dass sie mitten auf der Straße stand und mir den Finger zeigte. Joyce Barnhardt war völlig übergeschnappt.
Ich fuhr auf der Hamilton eine Straße weiter und bog dann Richtung Burg ab. Nach diesem traumatischen Erlebnis brauchte ich etwas zur Beruhigung, am besten ein Stück Himbeerkuchen von Entenmann‘s. Außerdem hatte mein Vater in seinem Keller alles Mögliche gelagert, zum Beispiel Textilklebeband, das Elektriker gerne benutzen, damit konnte ich die Heckscheibe reparieren. Der Wind fegte durch das Einschussloch, und es zog mir ordentlich im Nacken. Im Juli wäre das völlig in Ordnung gewesen, aber wir hatten Februar, und es war einfach nur arschkalt. Ich schlängelte mich durch das Straßenlabyrinth in Burg bis zum Haus meiner Eltern und parkte in der Einfahrt. Ich stieg aus und untersuchte das Auto. Ein Loch in der Heckscheibe und ein zertrümmertes Rücklicht.
Mit hochgezogenen Schultern lief ich gegen den Schneeregen an. Ich schloss die Haustür auf, stellte meine Tasche auf der Anrichte im Flur ab und ging in die Küche. Meine Mutter stand an der Spüle und putzte Gemüse, Grandma saß an dem kleinen Tisch und trank Tee. Die Schachtel von Entenmann‘s stand auf dem Küchentisch. Ich hielt den Atem an, näherte mich der Schachtel und hob den Deckel hoch. Zwei Stücke waren noch übrig geblieben. Ängstlich sah ich mich um. »Will noch jemand was davon?«, fragte ich.
»Ich nicht«, sagte Grandma.
»Ich auch nicht«, sagte meine Mutter.
Ich schüttelte meine Jacke ab, hing sie über eine Stuhllehne und setzte mich.
»Gibt es was Neues in der Welt der Verbrechen?«, fragte Grandma.
»Immer das gleiche Spiel«, sagte ich. »Und hier?«
»Mir ist das Haftmittel für meine Dritten ausgegangen. Ich wollte dich fragen, ob du für
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