Ein echter Schatz
Polizei zu rufen, dann guckte man auch aus dem Fenster.
Ich stellte den Vic am Straßenrand ab und klingelte an der Haustür gegenüber von Dickie. Eine etwa fünfzigjährige Frau öffnete mir.
»Ich untersuche den Fall Orr«, sagte ich. »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir einige Fragen beantworten könnten.«
»Durchaus, ja, aber eigentlich habe ich schon alles der Polizei gesagt.
Mehr ist mir danach nicht eingefallen.« »Haben Sie die Schüsse gemeldet?«
»Ja. Ich wollte gerade ins Bett gehen. Ich hörte die Schüsse und dachte erst, es wären Kinder. Die fahren hier manchmal durch die Straße und schießen vom Auto aus auf die Briefkästen. Aber als ich aus dem Fenster guckte, sah ich, wie ein Wagen aus der Einfahrt von Orr kam. Und dass die Haustür immer noch offen stand.«
»Was war es für ein Auto?«
»Es sah ungefähr so aus wie Ihr Polizeiwagen. Es war dunkel, viel habe ich nicht erkannt, aber ich glaube, es war bordeauxrot. Die Form war auch ungefähr so. Ich kenne mich nicht so gut mit Autos aus. Mein Mann hätte es sofort er kannt, aber der war schon im Bett. Er hat es nicht mehr rechtzeitig zum Fenster geschafft.«
»Haben Sie den Fahrer gesehen? Das Nummernschild?«
»Nein. Nur das Auto. Es kam aus der Einfahrt und fuhr Richtung Norden, zur 18th Street.«
Ich bedankte mich und ging zurück zu meinem Vic.
Es gab zwei Möglichkeiten, um aus dem Vic auszusteigen. Entweder kroch ich über die Konsole und stieg durch die Beifahrertür nach draußen, oder ich kletterte durchs Fenster der Fahrertür. Durchs Fenster zu klettern war leichter, aber dazu musste das Fenster immer offen bleiben; was hieß, es war arschkalt im Auto. Aber da immer noch das halbe tote Eichhörnchen auf meinem Armaturenbrett verrottete, bot die Variante mit dem offenen Fenster einige Vorteile.
Diesmal jedoch entschied ich mich für den anderen Einstieg, also über die Konsole zu kriechen, damit die Nachbarn keinen Verdacht schöpften, ich könnte vielleicht gar nicht von der Polizei sein. Ich setzte mich in meinen Wagen, stellte die Heizung an und überlegte, was ich als Nächstes machen sollte. Ich konnte versuchen, einen der anderen Kautionsflüchtlinge aufzutreiben. Ich konnte auf Plakatjagd gehen und alle Fahndungsplakate abreißen. Ich konnte zu meinen Eltern fahren und Grandma über Milton Buzick ausfragen. Ich konnte auch nach Hause fahren und ein Mittagsschläfchen halten.
Gerade hatte ich mich zum Mittagsschläfchen durchgerungen, da klingelte mein Handy.
»Ich brauche deine Hilfe«, sagte Grandma. »Ich habe eine heiße Verabredung heute Abend. Mit Elmer. Wir wollen zur Aufbahrung von Rozinski. Ich habe mir gedacht, dass ich ein bisschen Haut zeigen könnte, damit Elmer nicht der blöden Loretta Flick nachläuft. Ich lasse einfach die obersten Knöpfe von meinem blauen Kleid offen. Aber jetzt bleibt mein Busen nicht stramm sitzen. Ich wollte dich fragen, ob du mir so einen Push-up kaufen könntest.«
Eine Dreiviertelstunde später war ich mit Grandma in der Umkleidekabine von Victoria‘s Secret, und sie probierte Push-ups.
»Gut«, sagte Grandma hinter der Tür. »Jetzt sind sie schön stramm. Es sieht ziemlich gut aus, außer den Falten.«
»Mach dir wegen der Falten keine Sorgen«, sagte ich. »Ich glaube, Elmer hat den grauen Star.«
»Soll ich mir nicht noch einen Tangaslip zu dem BH kaufen?«, fragte Grandma.
Meine Oma im Tangaslip wollte ich mir lieber nicht vorstellen. »Ein bisschen mehr Stoff wäre bestimmt besser.«
»Hauptsache sexy. Vielleicht habe ich ja heute Abend Glück.«
Wenn Grandma Glück hatte, würde Elmer bis zum Essen durchhalten und danach tot umfallen. »Ich suche dir was Passendes, solange du dich noch umziehst.«
Wir standen mit BH und Slip an der Kasse, da hörte ich ein Knistern, es war in meinem Kopf, und ehe ich wusste, wie mir geschah, lag ich auf dem Boden, und es kribbelte in meinen Lippen.
»Was …!?« Zu mehr war ich nicht fähig.
Grandma beugte sich über mich. »Joyce Barnhardt hat dir einen Schlag verpasst. Ich habe gehört, wie du hingefallen bist. Ich habe mich umgedreht, und da stand Joyce mit einem Elektroschocker in der Hand. Wir haben sofort die Polizei gerufen, aber Joyce ist geflüchtet. Die dreckige feige Sau.«
Hinter Grandma stand ein Mann vom Securityservice der Mall, der mich besorgt ansah.
»Alles in Ordnung?«, fragte er. »Wir haben einen Arzt gerufen.«
»Helfen Sie mir auf«, sagte ich.
»Lieber nicht«, sagte er. »Vielleicht
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