Ein echter Schatz
Fastfood-Restaurant kam es mir ziemlich weit vor, aber vielleicht konnte Diggery ja von Glück sagen, dass er überhaupt einen Job hatte. Und vielleicht hatte er auch ein besseres Auto als ich. Dieser ernüchternde Gedanke brachte mich wieder auf den Boden der Tatsachen. Ganz bestimmt hatte Diggery ein besseres Auto als ich, weil ich nämlich überhaupt keins hatte.
Ranger und ich verließen Diggerys Trailergrundstück und brausten Richtung Norden. Wir waren jetzt wieder auf der Route 206, und mit Bangen sah ich der Stelle auf dem Highway entgegen, an der mein Vic schlappgemacht hatte. Ich wollte das arme, traurige, kaputte Autochen nicht Wiedersehen. Es war wie eine Mahnung, es erinnerte mich an mein kaputtes Leben, ein Leben von der Hand in den Mund, mit einem Scheißjob und ohne Zukunftsperspektive. Wenn Sommer gewesen wäre, die Sonne geschienen hätte, hätte ich nicht so schwarzgesehen, aber es war kalt, dunkle Wol ken waren wieder aufgezogen, und Sprühregen hatte eingesetzt.
»Ich könnte jetzt einen Teller Makkaroni mit Käse vertragen«, sagte ich zu Ranger und legte die Hände auf die Augen. »Ich wollte mir eigentlich Pommes gönnen, ein paar Jellydonuts und ein Stück Geburtstagstorte… aber es hat nicht sollen sein.«
»Ich weiß was Besseres«, sagte Ranger. »Macht nicht dick, aber süchtig.«
»Tabletten?«
»Sex. Außerdem kannst du die Augen wieder aufmachen. Der Vic ist längst weg.«
Zwanzig Minuten später, als Ranger vor einer Ampel an der Broad Street anhielt, klingelte sein Handy. Er steckte sich seinen Bluetooth Ohrhörer ins Ohr und hörte einige Minuten lang zu, düster, aber seine Miene verriet nichts. Er dankte dem Anrufer und legte auf.
»Sie haben den Wirtschaftsprüfer gefunden, Ziggy Zabar«, sagte Ranger. »Ein paar hundert Meter von der Ferry Street Bridge entfernt an Land gespült. Man hat ihn anhand seiner Kreditkarte identifiziert.
Und an einem Patientenarmband für sein Herzleiden.«
Ranger stellte sich hinter den Wagen des Gerichtsmediziners, den Rest des Weges zum Fundort der Leiche gingen wir zu Fuß. Es war ein mieser Tag, und das Wetter hielt die Schaulustigen zurück. Nur wenige hartgesottene Fotografen und Reporter. Keine Gaffer. Einige Polizisten in Uniform, zwei in Zivil. Die Mannschaft eines Rettungswagens, die auch lieber woanders gewesen wäre. Niemand, den ich kannte. Wir krochen unter dem Absperrband hindurch und sahen Tank. Tank ist Rangers zweiter Mann, sein Schatten. Eine BeSchreibung ist überflüssig, der Name besagt alles: Ein Mann wie ein Panzer. Er trug das übliche RangeMan-Schwarz, und er sah aus, als könnte ihm das Wetter nichts anhaben.
Tank stand neben Zip, Ziggy Zabars Bruder, ebenfalls in RangeMan-Schwarz, stoische Miene, steife Haltung.
»Wir haben die Meldung auf dem Polizeifunk gehört«, sagte Tank und rückte ein Stück von Zip ab. »Er hat schon eine Weile im Wasser gelegen und ist natürlich aufgedunsen, aber ich habe ihn mir angesehen, und trotz seines Zustands kann man sagen, dass er offensichtlich hingerichtet wurde. Ein einziger, glatter Schuss in die Stirn. Er trug eine Fußschelle, vermutlich war ein Gewicht an ihn gehängt, das die Flut freigespült hat.«
Ich stöhnte innerlich auf. Ich kannte Ziggy Zabar nicht, aber es war trotzdem schrecklich.
Wir blieben noch eine Weile, leisteten Zip Gesellschaft, der bei seinem toten Bruder wachte. Der Polizeifotograf zog ab, und der Rettungsdienst rückte mit einem Leichensack an. Von weiter oberhalb der Böschung hörte ich den Wagen des Gerichtsmediziners anspringen.
Die Polizisten schlugen den Kragen hoch und traten von einem Fuß auf den anderen. Der Sprühregen war in Nieselregen übergegangen.
Ranger trug seine SEAL-Basecap. Er strich meine Haare hinter die Ohren und setzte mir die Mütze auf, damit ich nicht nass wurde. »Du siehst aus, als könntest du ein Stück Geburtstagstorte vertragen.«
»Mit trockenen Strümpfen und einem Erdnussbuttersandwich würde ich mich auch zufriedengeben.«
»Ich will erst mit dem Gerichtsmediziner sprechen, und danach habe ich noch was vor.« Er gab mir die Schlüssel zu seinem Cayenne.
»Nimm mein Auto. Ich kann mit Tank und Zip fahren. Ob du das Auto zu Schrott fährst oder nicht, ist mir egal, aber pass auf die Basecap auf. Die möchte ich wiederhaben.« Ich kletterte die Böschung hoch, stemmte mich in den Porsche und schaltete als Erstes die Heizung ein. Als ich von der Nebenstraße in die Broad Street bog, klingelte mein Handy.
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