Ein echter Schatz
Meine Mutter stand am Herd, aber das Bügelbrett war ausgeklappt und das Bügeleisen eingeschaltet. Vermutlich war es das rote Haar, das meine Mutter ans Bügeleisen getrieben hatte.
Da das Bügeleisen schon mal ausgepackt war, konnte ich auch gleich mit meiner nächsten Frage herausrücken. »Na?«, sagte ich zu Grandma. »Wie ist denn dein Treffen mit Elmer so gelaufen?«
»Ziemlich gut«, sagte Grandma. »Das Beerdigungsinstitut bietet eine neue Plätzchensorte an. Dunkle Schokolade mit weißen Schokoladesplittern. Und Harry Rozinski haben sie echt gut zurechtgemacht. Man hätte nicht gedacht, dass der Hautkrebs schon seine halbe Nase weggefressen hatte.«
»Trug er Schmuck?«
»Nein. Keinen. Aber nebenan, in Schlummerraum vier war Lorraine Birnbaum aufgebahrt, fein herausgeputzt. Sie trug eine sehr schöne Uhr. Ehering und einen Diamantring haben sie ihr auch drangelassen. Der Diamant war ganz schön fett. Kannst du dich noch an Lorraine erinnern? Sie zog von hier weg, da warst du noch ganz klein. Als ihr Mann letztes Jahr starb, ist sie wieder zu ihrer Tochter hierhergezogen, aber sie hat es nicht mehr lange gemacht. In der Trauerfeier hieß es, sie würde Freitag beerdigt.«
»Hat Elmer sich auch gut benommen?«
»Ja. Das war die einzige Enttäuschung. Ich hätte ihn ja rangelassen, aber er bekam plötzlich Sodbrennen von den Plätzchen und musste nach Hause.«
Meine Mutter stand am Herd und briet das Rinderhack für die gefüllten Paprika kurz an. Sie streckte die Hand nach dem Speiseschrank aus, wo sie ihren Alkoholvorrat aufbewahrte, hielt inne, riss sich zusammen und widmete sich wieder der Bratpfanne.
»Sissy Cramp und ich waren heute shoppen«, sagte Grandma. »Ich habe mir diese Klamotten hier gekauft und war noch im Schönheitssalon. Elmer hat so schönes dichtes schwarzes Haar, da wollte ich mich auch ein bisschen hübsch machen. Ein Wunder, bei seinem Alter, dass er noch kein einziges graues Haar auf dem Kopf hat.«
»Er hat überhaupt keine Haare mehr auf dem Kopf«, klärte ich Grandma auf. »Er trägt eine Perücke.«
»Das würde natürlich einiges erklären«, sagte Grandma. Meine Mutter und ich grinsten uns an.
»Ich habe irgendwo gelesen, dass Rot die Tophaarfarbe dieses Jahres ist«, sagte Grandma. »Deswegen habe ich Dolly gesagt, sie soll sie mir diesmal rot färben. Wie findet ihr das?«
»Sieht lustig aus«, sagte ich. »Hebt deine Augenfarbe hervor.«
Ich sah, wie meine Mutter auf ihrer Unterlippe kaute, und mir war klar, dass sie wieder zum Schnapsschrank schielte.
»Ich habe das Gefühl, als wäre ich ein ganz neuer Mensch«, sagte Grandma. »Sissy meint, ich sähe aus wie Shirley Mac-Laine.«
Ich zog den Reißverschluss meiner Jacke zu. »Ich muss jetzt zurück ins Büro. Ich wollte nur mal schnell eben Guten Tag sagen.«
Auf dem Weg zur Haustür überprüfte ich noch mal mein Äußeres im Garderobenspiegel, ob auch keine Nachwirkungen von dem Elektroschock übrig geblieben waren, meine Zunge irgendwie schief aus dem Maul hing oder meine Augen verdreht waren. Ich konnte nichts Artfremdes an mir entdecken, also stieg in den Cayenne ein, schnallte mich an und rief Lula an.
»Ja-ah?«, meldete sich Lula.
»Ich versuch›s noch mal bei Carl Coglin. Willst du mitkommen?«
»Klar. Noch mal ein Eichhörnchen zum Explodieren bringen.« Fünf Minuten später holte ich sie vom Kautionsbüro ab.
»Das ist doch mal ein richtig nettes Auto«, stellte sie beim Einsteigen in den Cayenne fest. »So ein Schlitten, da kann nur ein Mann dahinterstecken.«
»Er gehört Ranger.«
»Habe ich mir schon gedacht! Da wird mir ja schon beim Einsteigen ganz schwindlig. Ich sage dir, der Mann ist so toll und so gut, der ist fast schon kein Mensch mehr.«
»Hm«, sagte ich nur.
»Hm? Was soll denn das heißen? Ist er vielleicht kein guter Mensch?«
»Er hat mich in einen Mord mit hineingezogen.«
»Hat er dir gesagt, du sollst Dickie vor dem versammelten Personal der Kanzlei erwürgen?«
»Nein, das nicht gerade.«
»Obwohl, verdient hätte Dickie es schon.«
»Dickie ist ein Drecksack.«
»Und was für einer!«, sagte Lula.
»Allerdings sieht es so aus, als wäre ich seine einzige Erbin.«
»Wie bitte?«
»Anscheinend hat er ein Testament aufgesetzt, als wir verheiratet waren. Er hat mich als Alleinerbin eingesetzt, und er ist nie dazu gekommen, den Passus zu ändern.«
»Woher weißt du das?«
»Joyce hat eine Kopie. Sie hat es der Polizei erzählt, und die Polizei hat mich zum
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