Ein echter Schatz
die Arbeit.
»Die Besitzer sind nicht da«, sagte Caesar, der uns aufschloss. »Urlaub in Neapel. Wir installieren während ihrer Abwesenheit ein neues Sicherheitssystem. Der Mann ist viel auf Reisen, und die Frau ist mit zwei schulpflichtigen Kindern allein zu Haus. Deswegen muss das System an die Bedürfnisse der Frau angepasst werden. Ranger meint, du könntest uns dabei helfen, weil du die Sache aus der weiblichen Perspektive siehst.«
Wir machten eine erste Bestandsaufnahme des Hauses und gingen gleich danach noch mal durch alle Räume, diesmal langsamer; wir notierten unsere Eindrücke. Ich hatte keine Ahnung, wie es sich in so einer feudalen Villa wohnte, und ich hatte auch keine Erfahrung als Mutter, aber das Gefühl der Angst war mir vertraut. Ich war selbst häufig genug in Häuser eingebrochen und wusste, was abschreckend auf einen Einbrecher wirkte. Als Bewohnerin eines Hauses dieser Größe hätte ich zum Beispiel gerne gewusst, ob irgendwo eine Tür geöffnet wurde. Ich hätte Videoüberwachung an allen Eingängen angebracht, Sicherheitsscheinwerfer im Außenbereich. Ich hätte mir mobile Touchpads zugelegt, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Und ich hätte dafür gesorgt, dass keiner ins Kinderzimmer einsteigen könnte. Die Bildschirme müssten also mit der Alarmanlage verbunden sein.
Es war fast Mittag, als Caesar mich vor meiner Wohnung absetzte. Ich lief nach oben, schmierte mir ein Erdnussbutter-Sandwich mit Oliven und stöberte beim Essen durch meine Krimskramsschublade. Meine Arbeit als Kopfgeldjägerin beruht weitgehend auf meiner Bereitschaft, es mit der Wahrheit nicht immer ganz genau zu nehmen und auch schon mal Tarnkleidung anzulegen. Ich habe eine ganze Auswahl von Mützen und Aufnähern, für jede Gelegenheit ist was dabei, von Pizzabote über Installateur bis zu Sicherheitsspezialistin.
Ich fand einen Aufnäher, Richter Security, und befestigte ihn mit doppelseitigem Klebeband an der Jacke, direkt über dem RangeManLogo. Dann steckte ich noch mein mobiles Flash-Laufwerk ein, um gegebenenfalls Computerdaten zu kopieren, und schnappte mir mein Klemmbord und einen Schreibblock. Es war Samstag, ich konnte also davon ausgehen, dass vorne am Empfangstresen von Petiak, Smullen, Gorvich & Orr nur ein einziger Sicherheitswachmann sein würde. Die Durchsuchung von Dickies Wohnung hatte nichts ergeben, jetzt blieb mir nur die Hoffnung, dass die Akten in seinem Büro noch alle vollständig waren.
Ich stellte den Cayenne auf dem kleinen Parkplatz neben dem Bürogebäude ab und wartete einen Moment lang, bis ich all meinen Mut zusammen hatte. Ehrlich gesagt bin ich überhaupt nicht mutig, und eigentlich bin ich auch nicht so gut in meinem Job. Sogar mein Reizmagen meldete sich wieder. Gleich würde ich in Dickies Büro einbrechen, und das nur, weil mir das nicht annähernd so viel Angst machte wie die Aussicht, wegen eines Mordes, den ich nicht begangen hatte, ins Gefängnis gehen zu müssen. Trotzdem hatte ich verdammt Schiss.
Ich redete mir selbst gut zu, dann stieg ich aus dem Cayenne, ging hinüber zu dem Bürogebäude und betrat die Eingangshalle. Die breite Glastür, die zu den Anwaltskanzleien führte, war geschlossen, und am Schalter saß ein Sicherheitswachmann. Ich zeigte ihm mein Klemmbord und deutete auf meine Armbanduhr. Er stand auf und kam zur Tür.
»Richter Security«, stellte ich mich vor und reichte ihm eine Visitenkarte, die zu dem Richter-Security-Logo auf meiner Jacke passte. »Ich habe einen Termin hier bei Ihnen, um einen Kostenvoranschlag für ein neues Sicherheitssystem zu erstellen.«
»Davon ist mir nichts bekannt«, sagte er. »Die Büros sind geschlossen.«
»Man wollte Ihnen Bescheid sagen, das hat man mir versprochen. Es muss doch jemanden geben, den Sie anrufen können.«
»Ich habe nur Nummern für den Notfall.«
»Man hat den Termin extra auf einen Samstag angesetzt, damit der Bürobetrieb nicht gestört wird. Ich musste einige andere Kundentermine umdisponieren, damit ich den hier wahrnehmen kann. Es wäre schlecht, wenn ich heute nicht reinkomme. Nächster freier Termin an einem Samstag wäre erst wieder im Oktober.«
Hier die gute Nachricht: Männer bringen Frauen fast immer mehr Vertrauen entgegen als umgekehrt. Ich könnte wie die letzte Fünfdollarnutte aussehen, die nur Handarbeit macht, der Kerl würde glatt glauben, er bekäme das volle Programm. Frauen werden zur Wachsamkeit erzogen, Männern wird vermittelt, sie wären unsterblich. Vielleicht
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