Ein echter Schatz
übertrieben, aber in die Richtung geht es.
»Was genau sollen Sie hier machen?«, fragte er.
»Wahrscheinlich haben sie nach dem Verschwinden eines der Kompagnons Panik gekriegt und beschlossen, das Sicherheitssystem auf den neusten Stand zu bringen. Ich bin Spezialistin für Videoüberwachung. Ich will ein erweitertes Videoüberwachungssystem für den Einsatz im gesamten Gebäude entwerfen. So was kann man schlecht während der Bürozeiten machen. Niemand arbeitet gerne mit dem Gefühl, dass jede seiner Bewegungen aufgezeichnet wird.«
»Ja, das sehe ich ein. Wie lange brauchen Sie etwa?«
»Eine Stunde, höchstens. Ich brauche nur den Grundriss der einzelnen Räume. Sind die Büros der Anwälte offen?«
»Ja. Es lohnt nicht, sie abzuschließen. Sie werden sowieso kaum benutzt. Nur Mr. Orr ist jeden Tag reingekommen. Und manchmal kommt Mr. Smullen, aber nur, wenn er sich in der Stadt aufhält.«
»Seltsam. Was sind denn das für Anwälte, die nie ihre Büros benutzen?«
»Da fragen Sie mich zu viel. Ich arbeite hier nur halbtags. Vielleicht sind die alle so reich, dass sie nicht mehr arbeiten müssen. Möchten nur gerne ihren Namen an der Tür stehen haben – verstehen Sie, was ich meine?«
»Ja. Ich bin nicht reich, deswegen mache ich mich jetzt besser an die Arbeit.«
»Rufen Sie mich, wenn Sie was brauchen.«
Ich fing mit Dickies Büro an. Eigentlich hatte ich die Absicht, mich in seinen Computer einzuloggen und nach einer Liste seiner Mandanten zu forschen, aber sein Rechner war weg. Also trat Plan B in Kraft: seinen Aktenschrank plündern. Ich wühlte in drei Schubladen und begriff so gut wie nichts. Können Anwälte nur dieses Kauderwelsch schreiben?
Ich ließ die Akten links liegen und setzte mich an seinen Schreibtisch. In der obersten Schublade fand ich zwei Aktenmappen, auf der einen stand »Verrückte und Stalker«, auf der anderen »Aktuell«. Super! Allmählich kam ich der Sache näher. Ich steckte die Mappen vorne in den Hosenbund und knöpfte die Jacke zu.
Smullens Büro war ähnlich eingerichtet wie Dickies, mit den gleichen Möbeln, nur waren sämtliche Schreibtischschubladen voller Schokoriegel und Süßigkeiten. Mounds, Baby Ruths, M&Ms, Snickers, Reese‘s Peanut Butter Cups, Twizzlers. Sein Computer war gerade frisch ausgepackt, die Software installiert, sonst nichts. Keine Rolodex-Rollkartei, nur Stift und Schreibblock, nichts Geschriebenes. Kaffeeränder auf der Lederschreibtischunterlage. Nichts Interessantes in den Aktenschubladen.
Ich klaute mir einige Snickers und ein Reese‘s und machte weiter mit Gorvich. Sein Büro war ebenfalls ungenutzt, keine Schokoriegel in den Schubladen, Gorvichs Schubladen waren leer. Das Gleiche bei Petiak.
An der Tür neben Petiaks Büro stand in Kapitälchen der Name C J. Sloan. Keine Ahnung, was C J. Sloan für die Firma machte, aber offenbar hatte er ein eigenes Büro nötig, denn auf jeder nur verfügbaren Fläche stapelten sich Akten. Auf seinem Schreibtisch standen vier Körbchen, Eingang / Ausgang, und in allen lagen Briefe und Papiere. Sein Computerbildschirm hatte Übergröße. Es war zwar viel Krimskrams in seinem Büro, aber alles war perfekt ausgerichtet. Sloan war analfixierter Ordnungsfanatiker.
Ich schaltete Sloans Computer an und stieß gleich auf eine Goldader. Sloan führte Listen mit den Namen der Mandanten und den angesetzten Stundenhonoraren. Ich schloss mein Flash-Laufwerk an den USB-Port an und kopierte einen ganzen Haufen Dateien.
In einem letzten verzweifelten Versuch machte ich mich über den Schreibtisch der Sekretärin her. Hier gab es jede Menge Hardware, leider ohne nennenswerten Inhalt. Telefonanlage, Computer mit allem Schnickschnack und eine Schublade mit diversen Speisekarten von Restaurants, die auch außer Haus lieferten. Neben dem Schreibtisch standen eine kleine Lattenholzkiste und zwei Pappkartons, darauf lag ein Tacker. Offenbar war hier jemand dabei, seine Sachen zu packen. Die Aufzuganzeige klingelte, und bevor ich mich verdrücken konnte, trat ein riesiger Kerl aus dem Aufzug. Er trug ein weißes Hemd mit Krawatte und einen schlecht sitzenden dunkelblauen Anzug. Er war Ende zwanzig, Anfang dreißig, regelmäßiger Muckibudengänger, und Anabolika schluckte er wahrscheinlich auch. Das Haar war knallkurz, blond gefärbt, L.A. Muskelprotz.
Muskelprotz kam auf den Schreibtisch zu und sah zu mir herab. »Was machen Sie da?«
Ich hielt gerade die Pizza-Hut-Speisekarte in der Hand. »Was bestellen.
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