Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
hartnäckig, er vermittelte mir den Eindruck, dass ich derjenige war, mit dem etwas nicht stimmte, dass ich regelrecht darum gebeten hatte, einen Knüppel ins Gesicht zu kriegen. Als ich den Garten verließ, hörte ich, wie der Mann zu seiner Frau sagte: Armer alter Trottel . Immer wieder lief die Szene in meinem Kopf ab, und in der Nacht wusste ich plötzlich, was ich hätte tun sollen, ich hätte zurückgehen und meine Zähne auf den Grill legen sollen. Das hätte ich tun sollen. Ich hätte der Mutter und dem Vater einen Blick zuwerfen und dann ohne Zähne wieder gehen sollen. Jetzt war es zu spät, wochenlang spulte sich der Vorfall vor meinem inneren Auge ab. Genauso ist es hier. Die Worte hallten noch lange in mir nach, armer, alter Trottel . Ich sah mich vor mir, wie ich mich zum Auto schleppte, ohne auf die Worte zu reagieren, und mit der Zeit kamen sie mir sogar angemessen vor, trotz der großen Ungerechtigkeit, die in ihnen lag.
Ich greife zum Handy und wähle die Nummer des Pflegeheims. Ich höre nur ein seltsames Geräusch, dann wähle ich noch einmal, diesmal mit norwegischer Vorwahl. Jetzt nimmt jemand ab, es ist ein Pfleger, der wohl neu ist, ich kenne seine Stimme nicht. Er fragt, wer am Apparat ist. Harold M. Lunde, antworte ich, und dass ich gern mit Marny Lunde sprechen möchte. Er sagt, seines Wissens sei Marny schon zu Bett gegangen, er wolle mal nachsehen. Ich warte. Der Pfleger kommt zurück. Wie war Ihr Name noch?, fragt er. Ich wiederhole meinen Namen. Der Pfleger sagt, mit einem Harold wolle Marny Lunde nicht sprechen. Was?, sage ich. Was soll das? Für wen hält sich der Pfleger eigentlich? Sie wollen nur nicht, dass ich anrufe, das ist der Punkt, sie wollen nicht, dass ich sie im Dienst störe, ich darf nicht mit meiner geliebten Marny sprechen, weil sie Karten spielen und fernsehen wollen. Okay, sage ich, okay. Dann lege ich auf. Hätte der Pfleger vor mir gestanden, ich glaube, ich hätte den Kerl umgebracht. Obwohl ich mich immer für einen liebenswürdigen Mann gehalten habe, darum bemüht, alles zu geben, um wirklich allen zu helfen. Ich glaube, ich könnte keiner Fliege etwas zuleide tun. Mein Vater war Boxer, er war sogar Bergen-Meister im Weltergewicht, er nahm mich mit zum Training und auf Wettkämpfe, aber ich hatte nicht den nötigen Biss. Ich war kein Boxer, ich konnte nicht in den Ring steigen und auf einen Gegner eindreschen. Eines Nachts habe ich Marny eine geklebt. Habe meine eigene Frau geschlagen. Ich war in der Nacht wach geworden und hatte gemerkt, dass das Bett neben mir leer war. Ich ging davon aus, dass Marny wie üblich im Erdgeschoss auf und ab lief, aber dann hörte ich einen Schrei. Die Angst packte mich, ich rannte, so schnell ich konnte, die Treppe hinunter. Marny stand angezogen in der Küche. Ihre Kleider waren blutig, sie hatte sich im Gesicht geschnitten und an einer Hand. Sie hielt mir ein blutiges Küchenmesser hin. Auf der Küchenzeile lagen Fleischstücke, klein geschnitten. Ich schrie sie an, sie solle das Messer weglegen. Ich wollte doch nur Labskaus machen, sagte sie. Ich hielt sie fest, spürte, wie sie zitterte. Wir können morgen Labskaus machen, sagte ich. Labskaus ist lecker, sagte sie und begann zu weinen. Dann rammte sie mir plötzlich das Messer in die linke Seite. Ein Schmerz durchfuhr mich, aber zum Glück hatte sie nicht gut gezielt. Ich versuchte, ihre Hände festzuhalten, aber sie hatte plötzlich Kräfte, von denen ich nicht wusste, woher sie kamen.
In dieser Nacht habe ich Marny geschlagen. Ich holte aus und traf ihre Nase mit einem Geräusch, das mich glauben ließ, sie sei gebrochen. Marny fasste sich an die Nase, sah, wie das Blut herauslief. Erschrocken starrte sie mich an, als wäre ich ein Wildfremder. Gib mir das Messer, sagte ich. Sie gehorchte. Ich bat sie, sich zu setzen, holte ein Handtuch und stoppte das Blut, das aus ihrer Nase lief. Die ganze Zeit über hielt sie die Arme vors Gesicht, als wollte sie sich vor weiteren Schlägen schützen. Ich führte Marny ins Badezimmer, duschte sie, trocknete sie ab und zog ihr das Nachthemd an. Was bist du für ein Mann?, fragte ich mich in dieser Nacht, als Marny endlich eingeschlafen war. Ich lag neben ihr: Was bist du für ein Mann? Was für ein Mann? Der nächste Morgen war fast noch schlimmer. Ich wurde von Marnys Rufen geweckt: Kaffee, Liebster! Ich ging nach unten und sah, dass sie sich angezogen hatte. Sie hatte Kaffee für mich gekocht. Sie lächelte. Sie hatte keine
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