Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
versprochen hast?, sagte Marny streng. Was denn?, fragte ich. Fünf Sterne, sagte Marny. Ich musste an mich halten, um nicht loszulachen. Midtbygda, New York, wo war der Unterschied? Wir gingen zum Mittagessen in den Speisesaal. Marny sah sich um. Andere Patienten kamen mit Laufgestellen oder wurden zum Essen hereingerollt. Ungerührt aßen sie ihre Suppe in einer Stille, die mich erschreckte. Das hier war keine nette Mahlzeit, es war eine Art zu überleben. So viele alte Leute auf einem Haufen, sagte Marny.
Nach dem Essen saßen wir auf zwei Sesseln im Erdgeschoss, während die Heimleiterin Kaffee servierte. Plötzlich sagte Marny: Jetzt habe ich genug gesehen, ich will heim. Ich fragte mich, wofür sie diesen Ort wohl hielt? Sie stellte die Kaffeetasse ab und stand auf. Wo hast du meinen Mantel hingehängt?, fragte sie. Vielleicht wollen Sie an unserer Singstunde teilnehmen?, fragte die Leiterin. Marny sah mich an, als sollte ich antworten, das ist zwar nett, aber wir haben an einem schönen Herbsttag andere Dinge auf dem Programm. Das ist doch eine nette Idee, sagte ich. Marny schüttelte den Kopf, ging aber trotzdem mit in den Aufenthaltsraum, wo eine junge Frau Gitarre spielte, während die Alten in Fächerform verteilt saßen. Wir setzten uns und sangen mit. Guten Morgen, liebe Sonne . Als wir zu bitte zeig dein Gesicht kamen, sollten wir die Hände hochnehmen und eine Sonne in die Luft malen. Ich stand auf und formte eine strahlende Sonne über meinem Kopf. Marny sah mich verdattert an. Dann zeigte sie auf einen älteren Mann, der sein Hemd hochgezogen hatte und sich mit den Händen auf die Schenkel klopfte, wobei die faltige Haut an seinem Bauch herunterhing und mitschwang, wenn er sich im Takt zur Musik bewegte. Marny zwinkerte mir zu und lächelte. Das gefiel ihr. Etwas später kam die Heimleiterin zu uns: Darf ich Ihren Mann kurz entführen, Frau Lunde? Marny sah mich an. Ich blinzelte ihr zu und sagte, ich würde für einen Moment verschwinden. Im Büro erledigten wir den Papierkram. Formulare, emotionslose Sätze. Unterschreiben Sie hier. Und hier. Und hier. Ich willigte ein, dass das Pflegeheim die Verantwortung für meine Liebste übernahm. Ich unterschrieb, dass unser gemeinsames Leben vorbei war. Ich bestätigte, dass Marny und Harold nicht länger ein Paar waren. Ich gab meine Einwilligung für meinen Zusammenbruch. Die Leiterin sagte, das hier sei meine Chance, das Pflegeheim zu verlassen, ohne dass Marny eine Szene machte. Es würde ihr hier gutgehen, Marny würde verstehen, dass sie an einem neuen Ort war, aber nach ein paar Wochen hätte sie sich an das neue Leben gewöhnt. Ich bin gegangen, Marny. Ich bin von dir gegangen, von Midtbygda bis nach Hause. Konnte nicht fahren. Marny, ich musste meinen Kopf freikriegen. Ich musste zu Fuß gehen, das Auto konnte ich am nächsten Tag holen. So würde es von nun an sein, das hätte ich jetzt zu tun, ich hätte alle Zeit der Welt. Ich habe versucht, wie ein Mann zu gehen, Marny, aber ich habe auf dem ganzen Weg geweint. Ich würde meine Tage ohne dich verbringen. Marny und Harold, reduziert auf Harold. Daheim steckte ich den Schlüssel ins Schloss und trat ein.
Die Messer sind gewetzt. Es ist Viertel vor zwölf in Älmhult, und ich treffe Ingvar Kamprad vorm Matstugan . Er ist auf dem Weg herein, ich bin auf dem Weg hinaus. Was für ein Purzelbaum. Was für ein Glückstreffer. Fast hatte ich schon resigniert, da begegne ich Kamprad. Ich habe ihn gefunden. Ich weiß sofort, dass es Kamprad ist. Die dünnen Haare und die große Brille. Natürlich kommt er zum Essen hierher, er isst nicht bei IKEA, bei dem Fraß, den sie dort servieren. Fraß, Fraß, Fraß. Das bieten sie dort an. Ich mache kehrt und gehe wieder hinein, setze mich an den gleichen Tisch wie zuvor. Kamprad bestellt ein belegtes Brötchen und lässt sich am Nachbartisch nieder. Ich kann seinen Rücken sehen und seinen Mantel, der über dem Stuhl hängt. Hier sitzt er also. Ich habe Kamprad wie ein belegtes Brötchen serviert bekommen. Was mache ich jetzt? Ich bin ganz ruhig, nein, ich bin nicht ruhig. Tatsache ist, dass ich ziemlich unruhig bin. Ich spüre mein Herz. Wie es schlägt, Marny! Ich gehe zum Auto, nehme die Pistole aus dem Koffer und warte. Ich habe ihn gefunden. Das hier ist nicht der Kamprad, den ich all die Jahre fix und fertig im Kopf hatte. Das hier ist nicht der Kamprad, auf den ich in einsamen Momenten losgegangen bin. Das hier ist Ingvar Kamprad, der im Wirtshaus ein
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