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Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Titel: Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Grytten
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Ich hatte angenommen, Kamprad sei einer dieser Typen, die sich selbst in Glas und Rahmen stecken, aber ich kann ihn nirgendwo sehen. Ich bin wohl allein in diesem Haus. Kein Kamprad, keine Kamprad-Verwandten. Auch sehen die Möbel nicht nach IKEA aus. Ich gehe durchs Zimmer und prüfe den Stoff und die Qualität. Nein, das hier ist eindeutig nicht IKEA. Das hier sind Möbel mit Komfort und Stil. Ingvar Kamprad hat also keine IKEA-Möbel bei sich zu Hause. Ich setze mich aufs Sofa, das ganz und gar kein IKEA-Sofa ist, und lache so sehr, dass sich einer meiner Hosenträger löst. Draußen hat es wieder angefangen zu schneien. Ein paar Windstöße. Das Flachland wogt im Wind. Ich muss hier sitzen bleiben, bis ich das eitle Ansinnen vollenden kann. Muss auf dem Sofa sitzen, bis Ingvar Kamprad nach Hause kommt. Dann durchzuckt mich ein Schlag, mein Körper verschiebt sich, mein Kopf macht einen Sprung, genau wie der restliche Globus. Und wenn Kamprad gar nicht da ist? Wenn er in der Schweiz auf seinem Altan sitzt und Zigarre raucht? Wenn das hier das falsche Haus ist? Na klar, ich bin im falschen Haus. In der falschen Tür. Auf dem falschen Sofa. Im falschen Heim. Das hier ist nicht Kamprads Haus, es gehört einem ganz anderen Menschen. Ich bin definitiv auf der falschen Fährte. Ich verlasse das Haus, überquere die Straße und kehre zurück zu meinem Saab. Ich sehe mein Gesicht im Rückspiegel. Ich schlage mit der flachen Hand aufs Lenkrad. Dann wird es still in meinem Kopf. Etwas Schlaf täte jetzt gut, überlege ich, ein gutes Frühstück und dann den ganzen langen Winter verschlafen. Ich lasse den Wagen an. Auf der Fahrt sehe ich mindestens drei Häuser, die so aussehen wie das Haus, das Ebba mir gezeigt hat. Vor dem vierten sitzt das Schäferhundepaar. Ich trete auf die Bremse. Egal, was jetzt passiert, überlege ich, es muss etwas dabei herausspringen. Alles, was ich zu verlieren habe, spüre ich als großen Druck in der Brust. Die Köter sind jetzt auf mich aufmerksam geworden. Einer fängt an zu bellen. Der zweite fällt ein. Ich gebe Gas und fahre zurück ins Hotel, gehe in mein Zimmer, starre aus dem Fenster, lege mich wieder aufs Bett. Ich warte. Auf eine Katastrophe oder ein Wunder. Ich muss das Ganze als Job betrachten. Muss zur Arbeit gehen. Das kann ich, um sieben Uhr aufstehen, mich für die Arbeit fertigmachen. Arbeiten, verkaufen, lächeln. Ich brauche einen Plan. 1) Wer bin ich? Harold M. Lunde. 2) Was mache ich hier? Keine Ahnung. 3) Bin ich auf Geld aus? Nein. 4) Warum bin ich so verflucht wütend? Das liegt doch wohl auf der Hand. 5) Bin ich selbständiger Gewerbetreibender? Ja. 6) Und jetzt? Wie kann ich Ingvar Kamprad auf einen Fleck reduzieren? 7) Werde ich hier in den schwedischen Wäldern sterben? Marny hat immer gesagt, sie würde vor mir sterben. Ich bin nicht sicher, ob sie recht hatte oder nicht. Marny ist tot, und doch ist sie am Leben. Und ich? Keine Ahnung.
    Marnys letzter Tag in unserem Haus war der Allerschlimmste. Ich hatte mich vorbereitet, aber auf den schlimmsten Tag seines Lebens kann man sich nicht vorbereiten. Ich stand auf, bevor Marny erwachte, zog einen Anzug an, schaltete das Radio ein und machte Frühstück. Sie sagten Sonne voraus, ein strahlend schöner Tag erwartete uns. Ein strahlend schöner Tag, sagte ich zu Marny, als ich sie weckte. Ich bugsierte sie in die Dusche, schimpfte, bis sie sich anzog, und nahm sie mit zum Frühstückstisch. Sie sah mich misstrauisch an. Starrte auf meinen Anzug, ihr fielen meine ungewohnten Bewegungen auf. Nach dem Frühstück zog ich Marny Mantel, Hut und Schal an. Gestern Abend hatte ich einen Koffer gepackt. Wir machen einen kleinen Ausflug, sagte ich. Sehr schön, sagte sie, noch dazu bei diesem schönen Wetter! Auf dem Weg zur Garage hätte ich beinahe kehrtgemacht, doch auch dazu fehlte mir die Kraft. Wir fuhren durch ein in der Sonne glänzendes Åsane zum Pflegeheim Midtbygda. Unterwegs hörten wir Musik, Marny summte mit. Bei unserer Ankunft wurden wir begrüßt, ich trug den Koffer in den zweiten Stock, wo Marnys neues Zuhause sein sollte. Schönes Zimmer, oder?, sagte ich. Mir gefällt es nicht, sagte Marny. Sehen Sie nur die schöne Aussicht, sagte die Heimleiterin. Sie ging zum Fenster und zeigte nach draußen. Marny legte die Hand auf die Scheibe, als könnte sie so hereinholen, was sich auf der anderen Seite befand. Ich packte ihre Sachen aus, verteilte sie in einem Zimmer ohne Charme und Stil. Du weißt, was du mir

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