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Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Titel: Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Grytten
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Solltest du nicht in der Schule sein?, frage ich. Sollte ich?, fragt sie zurück. Die Jugend ist eine Schande. Ich esse gierig, genieße die Tagessuppe. Ich dachte, Sie wären ein Profi, sagt Ebba sauer. Sehe ich aus wie ein Profi?, frage ich. Ja, Sie sehen aus wie ein Profi. Inwiefern? Ihr Hut und Ihr Mantel, die Art, wie Sie den Schal umgebunden haben. Ja nun, sage ich, es ist eigentlich nicht so entscheidend, wie man den Schal umbindet. Sie sieht mich an. Aber ich sehe aus wie ein Profi?, frage ich. Ja, wie ein Profi. Ein bisschen alt, aber ganz Profi. Iss jetzt deine Suppe, sage ich. Haben Sie eine Waffe?, fragt Ebba. Ja, eine Pistole, sage ich. Gut, sagt sie.
    Wir essen, ohne uns weiter zu unterhalten. Ich sehe, wie sie mich unter ihrem Kapuzenpulli in Augenschein nimmt. Wahrscheinlich versucht sie einzuschätzen, wozu ich tauge. Das weiß ich nicht einmal selbst. Es wird sich zeigen. Ich frage, ob es in Älmhult ein Hotel gibt. Sie sagt, im Zentrum, gegenüber von IKEA. Sie beugt sich über den Tisch. Soll ich Ihnen zeigen, wo Kamprad wohnt?, fragt sie. Gern, sage ich. Ich zögere, ich habe mich nach diesem Ort gesehnt. Jetzt bin ich hier, ein unbescholtener Bürger bisher. Ich bin versucht weiterzufahren, alles als Fehlgriff abzutun, in die Stille auf der anderen Seite des Waldes einzutauchen. Ich sage mir, dass ich ganz ruhig bleiben muss, keinen wunden Punkt zeigen darf, nur Kaltblütigkeit. Heute oder vielleicht auch morgen soll in diesen Hosen Geschichte geschrieben werden.
    Wir gehen wieder zum Auto. Ebba sagt, ich soll der Hauptstraße bis zum Hof Bölsö folgen. Ich versuche, mir beim Fahren jede Kurve und jeden geraden Abschnitt einzuprägen. Rechts, links, kleine Kurve, scharfe Kurve, Schild nach Älmhult, Gunnarryd, damit ich den Weg zu Kamprad später wiederfinde. Zum Glück schneit es jetzt etwas weniger, die Flocken legen sich leicht wie Sägespäne auf die Karosserie. In meinem Kopf macht es plötzlich Klick, ich spüre ein Band des Schmerzes über der Stirn. Ich suche in den Taschen nach meinem Vorrat an Schmerztabletten, finde nichts. Eine Zeitlang habe ich mich an diesem Vorrat fleißig bedient. Es war die Zeit, nachdem ich eingesehen hatte, dass Möbel-Lunde nicht zu retten war. Es gefällt mir nicht, dass du all diese Pillen in dich hineinstopfst, sagte Marny damals. Was für eine Ironie. Sie machte sich Sorgen um mich, sie, die in ihrem eigenen Gedächtnis ins Rotieren geriet, ohne sich darin zurechtzufinden. Ich antwortete Marny, man könne morgens unmöglich aufstehen, wenn man keine konkrete Strategie zur Schmerzbekämpfung habe. Auch erhöhte ich die Dosis nicht so stark, dass sie Mister Åsane endgültig den Garaus gemacht hätte. Ich ärgerte mich nur darüber, dass der Schmerz trotz der Pillen nicht nachließ. In einem schwachen Moment habe ich ein gelbes Schild in den Laden gestellt, auf das ich mit schwarzer Tusche geschrieben hatte: Alles muss raus.
    Wir halten vor einem gelben Haus am Wasser. Schnee auf dem Dach. Licht in den Fenstern. Zwei Schäferhunde auf der Treppe. Wer hätte das gedacht? Ingvar Kamprad hat zwei Schäferhunde auf der Treppe. Man kann alles Mögliche planen, man kann die Landung eines Raumschiffs auf dem Mond berechnen, aber wer hätte wissen können, dass bei Ingvar Kamprad zwei Schäferhunde auf der Treppe sitzen? Ich jedenfalls nicht. Hier wohnt der arme Kerl. Die Köter sitzen ruhig da, starren in den Abend, der sich mit Schnee füllt. Sie ähneln Skulpturen, die der Besitzer draußen angeordnet hat. Wie wollen Sie es anstellen?, fragt Ebba. Sie ist ganz eifrig. Du meinst, wie ich an den beiden vorbeikommen soll?, frage ich und deute mit dem Kopf auf die Hunde. Das auch, sagt Ebba. Ich weiß es nicht, das muss ich noch herausfinden. Die Schäferhunde haben uns jetzt bemerkt. Einer hat sich erhoben und steht auf allen vieren. Ich kurble das Fenster hoch und fahre ruhig weiter. Sind Sie feige?, fragt Ebba. Nein, ich bin nicht feige, sage ich. Warum fahren Sie dann weg?, fragt sie. Ich antworte nicht. Ich denke, die Verbitterung in meinem Leben hat mich gestärkt. Sie hat mich gewappnet, hat mich immer wieder auf die Spur gebracht. Ein Mann kann heute nicht nett, höflich und geduldig sein, ohne dafür bestraft zu werden. Das sind die Früchte meiner Beobachtungen, und ich bin bestraft worden, weil ich das Gute wollte. Man muss sich trauen, fies zu sein, um der Welt zu zeigen, wer die Fiesen sind. Ich muss der feste Körper sein inmitten der weichen. Ich

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