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Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Titel: Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Grytten
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mich wieder los. Ich streiche ihr über die Wange. Sie steigt aus und steckt noch einmal den Kopf durch die Tür. Tschüss, Opa!, sagt sie.
    Sie geht hinauf zum Haus. Plötzlich habe ich das Gefühl, dass in dem Haus niemand wohnt, dass dort oben niemand am Morgen aufsteht, am Nachmittag etwas zu essen kocht oder am Abend Kaffee trinkt. Als Ebba den halben Weg hinter sich hat, steige ich aus. Ich mache den Mund auf, aber ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bleibe stehen. Die Februarsonne kommt für einen kurzen Moment heraus, ein paar Strahlen rieseln auf den Schnee, auf die Straße, auf Ebba.

Eines Morgens saß im Laden ein toter Mann. Soweit ich mich erinnere, war der Tag bis dahin ruhig verlaufen. Ich hatte mir in der Mikrowelle einen Muffin aufgewärmt, saß mit der Zeitung im Hinterzimmer. Ich meinte, gehört zu haben, wie unten jemand hereinkam, als es aber wieder ruhig wurde, dachte ich, Gunnar oder einer der anderen Mitarbeiter habe sich des Kunden angenommen. Das ist der Vorteil bei einem Möbelgeschäft, man braucht keine Angst zu haben, dass die Leute einen Dreisitzer oder eine Anrichte stibitzen. Als ich kurze Zeit später nach unten ging, sah ich auf dem roten Sofa, das zur Schaufensterauslage gehört, einen Mann sitzen. Ich dachte, es sei einer der Pennbrüder aus Åsane, der sich hierher verirrt hatte und jetzt mit offenem Mund dort schlief. Ich kannte den Mann jedenfalls nicht, ein weiterer Kunde, dessen Namen ich nicht wusste, was für eine traurige Entwicklung. Dann fiel mir auf, dass sein Kopf auf unnatürliche Weise nach hinten gebogen war. Als ich näher trat, entdeckte ich das viele Blut, das ihm aus der Nase gelaufen war. Der Mann auf dem Sofa war tot.
    Aus irgendeinem Grund setzte ich mich zu ihm. Ich hatte keine Ahnung, was man mit einem toten Mann im Laden macht, es war mein allererster. Da saßen wir also. Ich starrte auf seine schweren, dunklen Sonntagskleider, betrachtete die mageren goldfarbenen Arme, die aus dem Mantel ragten, die Schuhe, die einmal weiß gewesen waren, jetzt waren sie mit Erde verschmiert. Er war ein Mantel voller Knochen. Aus welchem Dreckloch war dieser Mann herausgekrochen? Wie hatte er den Weg zu Möbel-Lunde gefunden? Hatte er einen Hintergedanken gehabt, als er auf meinem roten Sofa starb, das zum halben Preis angeboten wurde? Draußen schien die Sonne, es regnete, Regen und Sonne gleichzeitig, ein merkwürdiges Aprilwetter, das sich noch nicht für eine Richtung entschieden hatte. Ich saß da und konnte mich nicht rühren, betrachtete den Parkplatz, der auf Autos wartete, jene Autos, die längst nicht mehr zu uns kamen. Ich hörte das Summen der Ventilatoren, einen Bagger in der Ferne, Vögel, einen Hund. Plötzlich tat ich mir selbst leid, normalerweise hatte ich wenig übrig für Leute, die sich dazu die Freiheit nahmen, aber jetzt tat es gut, zusammen mit dem toten Mann hier zu sitzen. Ich glaube, ich lächelte sogar, wie ich dort saß, weiß der Himmel, warum, ein böses Lächeln erschien auf meinen Lippen. So blieb ich sitzen, bis ich Marny schreien hörte. Sie hatte den Mann auf dem Sofa entdeckt. Er war immer noch aufsehenerregend tot.
    Haben Sie den Schlüssel zu IKEA?, frage ich Kamprad. Er zögert gerade lange genug, dass mir klar wird: Er hat einen. Ich packe unsere wenigen Sachen zusammen, dann löse ich die Kette. Auf geht’s, sage ich, stehen Sie auf. Er gehorcht. Wir gehen zum Auto. Zwei magere Mistkerle auf einem Ausflug. Kamprad muss mir nicht mehr helfen, ich kenne jetzt den Weg. Er sagt tatsächlich nichts, auch wenn ich Tabak für ihn gekauft habe. Vielleicht genießt er einfach den Geschmack und das rauschähnliche Gefühl. Der Saab rollt von Laternenpfahl zu Laternenpfahl, vom Schatten ins Licht, vom Licht in den Schatten, langsam und unerbittlich mit einem Motorengebrumm, das mich müde macht. Es ist acht Uhr in Älmhult, ich habe ausgerechnet, dass heute Sonntag ist. Es ist jedenfalls still wie an einem Sonntag. Die Leute sind in ihren Sonntagshäusern verschwunden. Ich mache das Autoradio an, es rauscht, ich höre Radiostimmen, die an- und abschwellen. Wir fahren auf den Parkplatz von IKEA, bleiben sitzen. Man kann nicht vorsichtig genug sein, nicht einmal an einem Sonntag. Ich betrachte die Fassade und die erleuchteten Schaufenster. Sie erinnern mich an die Abende, wenn ich in Åsane den Laden abschloss. Spät am Abend sieht ein Möbelladen aus wie dein Zuhause. Du stehst draußen und starrst in ein Zuhause, das das Neueste an

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