Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
Es bildet sich eine kleine Schlange. Ich sage: Du kannst richtig gut lügen. Ebba sagt: Sie auch. Ich lache. Woher haben Sie Ihre Pistole?, fragt Ebba. Von meinem Sohn, sage ich. Von Ihrem Sohn?, fragt sie. Ja, sage ich, von Arvid. Sie hatten doch gar keine Kinder, sagt Ebba. Ich habe gelogen, sage ich. Sie können richtig gut lügen, sagt Ebba.
Ich halte an derselben Stelle wie zuletzt. Wir bleiben sitzen. Ich hole tief Luft, sehe auf die Uhr. Ich fühle mich schwer und nutzlos. In Ebba gibt es eine Leere, denke ich, ein Nichts, das gefüllt werden muss, ich bin aber leider nicht die richtige Person dafür. Hat deine Mutter eigentlich schon mal versucht, richtig mit dir zu reden?, frage ich. Ebba schnaubt. Das soll sie mal probieren, dann kriegt sie eine in die Fresse. Sie starrt durch die Windschutzscheibe. Ich lasse den Motor laufen. Sing mir das Lied vor, sage ich. Welches Lied?, fragt sie. Das du für deine Mutter geschrieben hast, sage ich. Vergessen Sie’s, sagt sie. Ich frage, ob sie das Lied schon einmal jemandem vorgesungen hat. Sie schüttelt den Kopf. Nicht einmal Håkan?, frage ich. Sie lacht. Sie erzählt, wie sie beschlossen hat, ihren Vater an Weihnachten in Borås zu besuchen. Es war eine Eingebung, plötzlich wollte sie ihren Vater sehen und mit ihren kleinen Geschwistern spielen. Sie wollte den Hund sehen, von dem ihr Vater am Telefon gesprochen hatte.
Sie erklärt: Håkan ist zum dritten Mal verheiratet. Aller guten Dinge sind drei, sage ich. Sie nickt. Das zweite Mal war mit der Schwester meiner Mutter, sagt sie. Und das ging nicht gut? Es ging so, wie es gehen musste. Wie war es in Borås?, frage ich. Ebba antwortet nicht. Erzähl mir von Borås, sage ich. Das ist verdammt schnell erledigt, sagt Ebba. Sie sagt, dass sie den Zwillingen ihre Geschenke gab, den Hund tätschelte und zu ihrem Vater sagte, er habe ein schönes Haus. Das war’s. Wirklich?, frage ich. Das war alles? Das war alles. Sie erzählt, dass niemand mit ihr gerechnet habe, sie waren also mächtig überrascht, als sie kam, keiner wusste, was er sagen oder tun sollte, und als sie nach Hause kam, bekam sie Krach mit ihrer Mutter. Bin ich nicht immer eine gute Mutter für dich gewesen?, hatte ihre Mutter gefragt. So abscheulich ich sonst auch sein kann, so fest mein Herz auch verschnürt sein mag, vor diesem Mädchen kann ich mich nicht verschließen. Ich blinzle mehrmals, ohne dass es hilft. Ich drücke die Handflächen auf die Augen, aber die Tränen finden ihren Weg auch ohne mich. Ebba schaut kurz zu mir herüber. Flennen Sie?, fragt sie. Ja, antworte ich. Es ist doch keine große Sache, sich von jemandem zu verabschieden, sagt sie, das mache ich ständig.
Wir bleiben sitzen. Ebba mit verschränkten Armen, ich mit den Händen im Schoß. Sie will nicht gehen, ich will nicht, dass sie geht. Sehe ich Sie wieder?, fragt Ebba. Vielleicht im Fernsehen, sage ich. Vergessen Sie nicht, dass ich nicht fernsehen darf, sagt Ebba. Sie lächelt unmerklich, sagt aber nichts mehr. Ich warte. Ich mag meine Familie nicht, sagt Ebba. Verstehen Sie das? Ich nicke. Ich verstehe das, sage ich. Ebba dreht sich eifrig zu mir um, fragt, ob ich ein Foto von Marny habe. Sie will so gern wissen, wie meine Frau aussieht. Ich nehme den Koffer vom Rücksitz, hole das Fotoalbum heraus. Ich zeige ihr ein Bild, auf dem Marny im Garten steht, sie trägt einen roten Poncho und zündet sich zwischen bunten Herbstblättern eine Zigarette an. Ich mag das Bild sehr gern, aber ich merke, dass Ebba enttäuscht ist. Ich habe Marny als die hübscheste Frau der Welt über Wert angepriesen.
Ebba blättert weiter, betrachtet das Hochzeitsbild. Sind Sie das?, fragt sie. Ja, sage ich. Schickes Kerlchen, sagt sie. Sie betrachtet ein Foto, auf dem Marny und ich zusammen tanzen, sie sieht Marny am Telefontisch in der Diele sitzen mit dem Hörer in der Hand, sie bleibt an einem Bild hängen, auf dem Marny ihre Geschenke zum 50. Geburtstag auspackt. Wie schön sie ist, sagt Ebba und streicht mit dem Finger über das Bild. Sie dreht sich wieder zu mir. Woran ist sie gestorben? Ich sage, dass sie eines Nachts einfach gestorben ist, ich bin morgens aufgewacht und fand sie tot im Bett. Das ist die schönste Art zu sterben, sagt Ebba und gibt mir das Fotoalbum zurück. So will ich sterben, im Bett mit einem Mann wie Ihnen. Was sagst du da?, frage ich und lache, mit einem Mann wie mir? Ja, ich will im Bett sterben mit einem Mann, der mich liebt. Ebba umarmt mich kurz und lässt
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