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Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

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Titel: Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Grytten
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haben, dort haben sie Labour als Geisel genommen. Was würde in Norwegen passieren, wenn eine Handvoll Aktivisten die Tagesordnung bestimmt? Die Gäste sprachen Frau Brinks mächtigem Bananensplit zu und machten heitere Bemerkungen zu Tyssedals Zukunft als Plantage. Mehrere äußerten ihre Unterstützung für Industrieminister Jens-Halvard Bratz. In einem Interview hatte der Minister gesagt, Odda könne künftig Arbeitsplätze von anderen Landesteilen stehlen: Im Übrigen ist mir nicht entgangen, dass man sich nicht weit von Tyssedal und Odda entfernen muss, um bezüglich der trotz allem außergewöhnlichen Großzügigkeit, die der Staat Odda gegenüber an den Tag gelegt hat, völlig andere Gefühle anzutreffen. Es gab also Oddaer, die sich freuten, dass das Parlament an diesem Abend auf die Bremse stieg und nein zu Aluminium aus Tyssedal sagte. Es waren nicht viele, aber sie jubelten, als das Parlament die Garantieübernahme für die Aluminiumfabrik ablehnte.
    Sobald Arvid Lunde wieder in der Schule war, wurde er von Direktor Brink vorgeladen. In der Sache sympathisierten einige im Kollegium mit Arvid Lunde, sie waren der Meinung, der Fall Tyssedal gehe die gesamte Lokalbevölkerung an. Die Lehrer konnten sich nicht im Lehrerzimmer einschließen, als wäre es die ganze Welt. Die Kollegen meinten, Lunde habe lediglich ein wenig übertrieben, er habe sich etwas ungeschickt verhalten, indem er sich nicht freigenommen habe. Ein Lehrer sei nicht einfach irgendwer aus der Lokalbevölkerung, sagte Direktor Brink, als sich die beiden in seinem Büro gegenübersaßen. Ein Lehrer mache vielmehr die Lokalbevölkerung aus, sagte Brink. Der Fall Tyssedal übersteigt uns alle, Sie und mich, antwortete Arvid Lunde, er saß ganz vorn auf der Stuhlkante, wie ein Schüler, den man auf dem Weihnachtsball der Schule beim Trinken erwischt hatte. Brink sagte, Engagement sei stets etwas Positives, müsse aber mit Würde ausgeübt werden. Man kann sich nicht zum Sprecher des Bodensatzes der Bevölkerung machen, sagte Direktor Brink. Von was für einem Bodensatz sprechen wir hier eigentlich?, fragte Arvid Lunde. Er war im höchsten Maße verärgert. Auf dem Weg nach Oslo war er in seine Zeit eingetaucht, er wollte die Welt verändern, wollte zumindest Norwegen verändern, wenigstens Odda und Tyssedal, er hatte wie ein Felsen auf dem Platz vor dem Parlamentsgebäude gestanden, und auch wenn alle enttäuscht nach Hause zurückgekehrt waren, wie eine Mannschaft, die beim Auswärtsspiel haushoch verloren hatte, waren sie doch erhobenen Hauptes aufgetreten. Und nun sprach Direktor Brink von Bodensatz? Brink war ein typischer Konservativer, der in abgeschirmten Räumen lebte, eine Molluske, die längst ihre Tentakeln eingezogen hatte.
    Von was für einem Bodensatz reden wir hier?, fragte Arvid Lunde noch einmal.
    Den Kommunisten, sagte Direktor Brink.
    Den Kommunisten?
    Ja, den Kommunisten.
    Arvid Lunde begann zu lachen.
    Am besten schauen Sie mal in Ihre Kaffeetasse?, sagte er.
    Warum?
    Das, was Sie dort sehen, ist Bodensatz. Darin sollten Sie vielleicht erst mal lesen, bevor Sie sich ein Urteil bilden.

An einem Novemberabend vor einem Jahr hatte Lunde im dritten Stock des Gerichtsgebäudes an eine Tür geklopft. Er war die Treppe hinaufgestiegen, in Gabardinegewebe für 1000 Kronen gekleidet, grauer Mantel, Wildlederschuhe, es war ein kalter Nachmittag mit ersten Schneeflocken vor den Fenstern. Arvid Lunde war stehen geblieben, hatte den Schnee vom Mantel gebürstet, das Hemd zurechtgezogen und die Lippen befeuchtet, bevor er die Hand hob. Klopf, klopf. Nichts. Er klopfte erneut, hörte von der anderen Seite der Tür ein schwaches Herein . Es war das Signal, sich in die Wärme einer staatstragenden Partei Norwegens zu begeben. Arvid Lunde wollte sich in den Dienst der Oddaer Arbeiterpartei stellen. Er wollte seine Pflicht tun, er wollte in die Politik gehen, mit Lust und Leidenschaft. Doch als er den verrauchten Raum betrat, wurde es still. Die Parteimitglieder sahen ihn an, als wäre der Mann im grauen Anzug vom Himmel gefallen. Schließlich fragte Bürgermeister Stensland vom oberen Ende des Sitzungstischs: Können wir Ihnen irgendwie helfen? Ich will in die Partei eintreten, antwortete Arvid Lunde. Tatsächlich?, fragte der Bürgermeister. Warum? Der Subtext war klar, Arvid Lunde gehörte in einen anderen Raum, in ein anderes Stockwerk, in ein anderes Gebäude, an einen anderen Ort, in eine andere Zeit. Er störte die Partei bei einer

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