Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
Menschenmenge absolvieren, spürte plötzlich den Atem der Mehrheit im Nacken, roch den strengen Schweißgeruch, hörte die Stimmen. Wir geben nicht auf! Wir geben niemals auf! Nachdem die vom Volk Gewählten das Gebäude erreicht hatten, stellten sie sich erleichtert ans Fenster und schauten auf die Fahnen, die Blaskapelle und die Schilder hinunter, auf all die Oddaer, die die Macht unter dem Daumen hatten. Die Volksvertreter mochten in ihrer klimatisierten Welt stehen, aber sie wussten, dass es dort draußen noch eine andere Welt gab, es gab ein Volk, das niemals aufgeben würde. Das jedenfalls wurde erzählt, als die Busse nach Odda zurückkehrten.
Der Aufenthalt hatte vor allem aus Warten und noch mal Warten bestanden. Odda-Elvis sang Suspicious Minds und Burning Love . Erst am Nachmittag war Ministerpräsident Willoch gekommen. Die Demonstranten erkannten es an der amöbenförmigen Masse aus Presseleuten, Fotografen, Polizisten und Parteisekretären, die sich vorwärtsschob. Was passiert jetzt? Sie haben so lange gewartet, was passiert jetzt? Tja, der Ministerpräsident geht geradewegs auf Arvid Lunde zu, der an der Treppe zum Parlamentsgebäude steht. Der Ministerpräsident grüßt mit ausgestreckter Hand. Willoch hat sich mit seinen Beratern und Bodyguards vom Regierungsgebäude bis zur Nationalversammlung bewegt. Um Lundes Hals hängt ein Plakat, auf dem steht: WIR GEBEN NICHT AUF! TYSSEDAL SOLL LEBEN! Willoch lächelt. Später waren viele der Meinung, der Ministerpräsident habe sich denjenigen ausgesucht, der ihm am meisten ähnelte, einen Mann in Anzughose und weißem Hemd, als hätte Willoch instinktiv verstanden, dass er von diesem Lunde garantiert nicht die Wahrheit zu hören bekäme, und so konnte er weiterhin breit lächeln. Die Leute hatten sich im Vorfeld hochgeputscht, was sie dem Willoch alles erzählen wollten, der Typ sollte was zu hören kriegen. Nun war also Arvid Lunde derjenige, der die Chance bekam, und hier folgt das vollständige Gespräch zwischen dem Ministerpräsidenten Norwegens und dem Vertreter des Volkes am 7. Juni 1982 um 15:30 Uhr:
KÅRE WILLOCH
Guten Tag!
ARVID LUNDE
(überrascht) Hallo?
KÅRE WILLOCH
Hatten Sie eine angenehme
Reise über die Berge?
ARVID LUNDE
(zögerlich) O ja. Unbedingt.
KÅRE WILLOCH
Heute ist ein schöner Tag in
Oslo, nicht wahr?
ARVID LUNDE
(unsicher) Jaaa?
KÅRE WILLOCH
Wir sollten das gute Wetter
genießen, solange es anhält!
Anschließend wurde Arvid Lunde vom Norwegischen Fernsehen zu seinem Gespräch mit dem Ministerpräsidenten interviewt. Lundes zu kurze Anzughose befand sich leider außerhalb des Bildausschnitts, aber alle hörten ihn die erlösenden Worte sagen, alle in Odda hörten es, ganz Norwegen hörte es. Die Oddaer hatten den ganzen Tag vorm Fernseher gesessen, die Leute hatten ihr Ohr ans Radio gehalten, auf den Fernsehbildschirm gestarrt, an Knöpfen gedreht, bis der Zeiger den Sender traf, der von Tyssedals künftigem Schicksal zu berichten wusste. Endlich kam der Fall vors Parlament, und die Provinzstadt befand sich im Generalstreik. In Odda stand alles still, alles hing wie ein riesiger Schlusspunkt in der Luft. Tyssedal hat ein Recht auf Leben, sagte Arvid Lunde an diesem Abend im Fernsehen. Arvid Lunde ist ein guter Mann, sagten später viele, Arvid Lunde ist definitiv einer von uns, Arvid Lunde ist wichtig für Odda. So ziemlich die Einzigen, die an diesem Tag nicht vorm Fernseher saßen, waren Direktor Per Chr. Brink und seine Gattin. Er hatte auf der Terrasse ein halbes Schwein gegrillt, loyale Kollegen und Parteigenossen der Konservativen hatten unten in der Einfahrt geparkt, sie hatten auf Bänken Platz genommen und warteten darauf, dass das Schwein so weit war. Hinter Eidesåsen ging die Sonne unter, und Frau Brink war zufällig im Haus, um den Salat zu holen, als sie die Reportage im Fernsehen sah. PC!, rief sie aus der Stube. PC! In seiner Khakihose kam der Direktor etwas zu spät, um Arvid Lunde noch zu sehen, aber ihm wurde der Beitrag genau beschrieben. Per Chr. Brink war überrascht und enttäuscht. Konnte man nicht einmal mehr den eigenen Mitarbeitern trauen? Ich hatte ein solches Vertrauen in ihn, sagte Brink später am Abend, als die Grillgesellschaft den Fall und Arvid Lunde bei einem Whiskysoda diskutierte. Brink ließ seinem Frust darüber, einen Aufwiegler im Kollegium zu haben, freien Lauf. Seht euch nur an, was in Großbritannien passiert ist, wo sich die Bergleute zu militanten Gruppen zusammengeschlossen
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