Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
unten im Garten sonnte. Soweit Arvid Lunde erkennen konnte, waren ihre Brüste von hellem Teebraun mit einer Spur Orange, strotzend und positiv, obwohl die Tochter daran geschmatzt und sie beansprucht hatte. Arvid Lunde wurde ein paarmal im Jahr aufs Dach geschickt, dies gehörte zu seiner Rolle als Mieter bei einer jungen alleinerziehenden Frau, im Winter fegte er Schnee, im Sommer justierte er die Fernsehantenne. Lange Zeit waren die Voraussetzungen für den Fernsehempfang zwischen den Bergen von Odda kümmerlich gewesen, bis weit in die Achtzigerjahre hinein hatten wir Mühe, ein ordentliches Bild zu bekommen. In den ersten Jahren, als aus Oslo gesendet wurde, war zwischen den hiesigen Bergen praktisch kein Signal zu empfangen. Erst als der Elektriker Knut Låte von Berggipfel zu Berggipfel eilte und seine Geräte justierte, kam Bewegung in die Sache. Rein körperlich muss es die Hölle gewesen sein, denn Knut Låte konnte unmöglich wissen, ob die Justierung erfolgreich gewesen war, er hatte kein Handy, um anzurufen und herauszufinden, wie weit er die Antenne nach links oder nach rechts drehen musste. Er erklomm den Rossnos, den Eidesnuten oder den Tokheimsnuten, nahm den zähen Aufstieg auf sich, 1400 Meter über dem Fjord, dann den Abstieg mit Gummibeinen, nachdem er die Antennen korrigiert hatte. Nein, verdammt, das war zu viel, wieder hinauf auf den Gipfel, die Antenne nach links drehen, zurück, nachschauen, etwas mehr nach rechts, hoch und runter, hoch und runter, ein täglicher Marathon, bis er in seinem Laden auf den Stuhl sank. Ich mache morgen weiter, ich kann nicht mehr, okay? Knut Låte musste zu dem Schluss gekommen sein, dass sich die Mühe lohnte, denn 1964 bekamen auch wir am Sørfjord das Signal herein, und Knut Låte verkaufte Fernsehgeräte wie warme Semmeln, womit er zu einem der reichsten Männer der Provinzstadt aufstieg.
In Odda glaubten viele, Arvid Lunde und die Alleinerziehende kämen zusammen. Sie waren wie füreinander geschaffen. Sie war eine flotte, attraktive Frau, bereit für die Liebe, nachdem sie jahrelang allein gelebt hatte. Er war ein höflicher und aufgeklärter Mann, bereit, an diesem wichtigen Ort jüngerer norwegischer Geschichte in den Hafen der Ehe einzulaufen. Doch nicht einmal die Erkenntnis bezüglich der Qualität ihrer Brüste hatte dazu geführt, dass Arvid Lunde den Gedanken zu Ende gedacht hätte. Er lebte weiterhin mit der Yuccapalme in den feuchtkalten Räumen, hatte die Jalousien unten und den Hosensaum oben. Die Leute behaupteten, Arvid Lunde werde von Triefnase abgeschreckt, er wolle nicht Stiefvater werden, der Mann hatte ja mit eigenen Augen gesehen, wie das Mädchen Unmengen von Rotz produzierte, eine unappetitliche Mischung aus Schleim, klarer Flüssigkeit und abgestorbenen Blutkörperchen. Es gab Leute, die darin den Grund sahen, dass Lunde an seinen Hochwasserhosen festhielt, er befürchtete, die Kelleretage könnte von all dem Rotz aus dem Erdgeschoss überschwemmt werden. Die Situation hätte sich ändern können, wenn Arvid Lunde einfach die wenigen Treppenstufen nach oben gestiegen wäre und bei der Ingenieurin angeklopft hätte: Ich dachte, ich schaue mal vorbei. So wäre er in Odda zu einem Erdgeschossmenschen aufgestiegen. Sichere Quellen wussten zu berichten, dass die Ingenieurin auf ihn gewartet hatte, jeden Abend stellte sie Radio und Fernseher leiser, hoffte, Schritte zu hören, Arvid Lunde, der im grauen Anzug die Treppe heraufkam, um eine Tasse Kaffee zu trinken, um die Nachrichten zu sehen, um sich auf ein langes Leben mit ihr einzulassen. Eines Abends, nachdem Triefnase eingeschlafen war, ergriff die Ingenieurin die Initiative. Sie wollte ihn verführen, wollte mit einem Mann und potentiellen Ehegatten ins Erdgeschoss zurückkehren. Sie ging nach unten und klopfte an die Tür. Arvid Lunde machte auf und starrte die Ingenieurin an, die die Situation ihrerseits nicht gründlich genug durchdacht hatte. Ja?, fragte Arvid Lunde. Ja!, hätte sie selbstverständlich antworten müssen. Hätte regelrecht brüllen müssen: JA! Eine kleine Interjektion, die eine dauerhafte Kursänderung hätte herbeiführen können, ein kleines Wort für große Gefühle. Nimm mich, nimm mich ganz, nimm mich und Triefnase, nimm uns beide, komm mit ins Erdgeschoss! JAAAA!!!! Stattdessen stammelte sie nur: Sie hätten nicht vielleicht etwas Zucker? Doch, antwortete Arvid Lunde. Mit einem Kilo Zucker in der Hand und einem schweren Klumpen im Magen ging sie wieder nach
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