Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman
telefonierte. Er redete davon, dass etwas vertuscht werden müsste, irgendein Skandal. Ich hörte, wie er LABarum erwähnte. Er hatte mir immer gesagt, ich müsste ihn mir zum Vorbild nehmen, aber jetzt stellte sich raus, dass er genau wie alle anderen war: ein Lügner, ein Betrüger, ein Feigling.« Sie brach in Tränen aus. »Er hatte mich wieder hängen lassen. Also hab ich mir dieses... was auch immer gegriffen und gesehen, dass es mit LABarum zu tun hatte.« Sie holte tief Luft. »Vielleicht wollte ich nur, dass er wusste, dass ich Bescheid wusste. Es ist alles so ekelhaft, alles durch und durch ekelhaft...«<
Mrs. Duggan versuchte noch immer, sie zu beruhigen, als Rebus die Wohnung verließ.
Als er seine Wohnung aufschloss, hatte Rebus das Gefühl, das Telefon habe gerade aufgehört zu klingeln. Als zwei Minuten später die Stones leise aus den Boxen tönten, klingelte es noch einmal. Er hatte sich mit der Whiskyflasche auf dem Schoß hingesetzt und sich gefragt, ob er der Versuchung widerstehen könnte, sich gefragt, wozu er’s hätte versuchen sollen.
»Ja?«
»Davidson.«
»Noch immer auf dem Revier?«
»Ja. Gerry redet immer noch nicht.«
»Haben Sie ihm einen Deal angeboten?«
»Noch nicht. Wir halten ihn wegen tätlichen Angriffs fest, mit Ihnen als Opfer.«
»Das Fett krieg ich aus dem Jackett nie wieder raus. Was ist mit dem Durchsuchungsbefehl?«
»Haben wir gekriegt. Burns müsste jeden Augenblick zurückkommen. Moment mal, da ist er.« Davidson legte die Hand auf die Sprechmuschel. Rebus schraubte mit seiner freien Hand die Flasche auf, konnte dann aber kein Glas finden. Davidson meldete sich zurück. »Wir haben was. Zwei Kreditkarten, Access und Visa, beide auf Thomas Gillespie ausgestellt, waren unter der Matratze versteckt.«
»Steigt jetzt also ein Deal?«
»Ich rede mit seinem Anwalt.«
»Nicht vergessen, wir wollen nicht nur Dip. Wir wollen den, der hinter der Sache steckt.«
»Klar, John.« Davidsons Stimme klang, soweit Rebus das beurteilen konnte, nicht hundertprozentig begeistert. »Und jetzt die schlechte Nachricht.«
»Hören Sie, ich mein’s ernst - wir wollen den Auftraggeber!«
»Und ich mein’s ernst, wenn ich sage, es gibt eine schlechte Nachricht.«
Rebus beruhigte sich. »Okay, schießen Sie los.«
»Sie hatten gesagt, ich sollte überprüfen, ob Charters seit Sonntagabend, als Sie bei ihm waren, Besuch hatte. Also, hatte er - direkt am nächsten Morgen, und dann heute wieder. Sie scheint Stammgast zu sein.«
»Ja?«
»Ihr Name ist Samantha Rebus. Also, John, kann sein, dass überhaupt nichts dahinter steckt. Sie hat auch andere Häftlinge besucht, und wir wissen, dass sie für SWEEP arbeitet. Es könnte einfach sein, dass sie -«
Aber Rebus war schon weg.
»Ich weiß nicht, was der ganze Aufstand soll«, sagte Sammy.
»Was?«
»Ich weiß nicht, was der ganze Aufstand soll.«
Er war dermaßen auf hundert gewesen, dass er zweimal an Patience’ Tür geklingelt hatte, ehe ihm wieder die unerfreulichen Umstände seines letzten Besuchs eingefallen waren. Aber es war zum Glück Sammy, die aufmachte.
»Nimm deinen Mantel«, zischte er, »sag Patience, es ist ein Freund und du gehst aus.«
Sie waren in ein Hotel gerade um die Ecke gegangen. Die Bar war fast menschenleer - nur die Bardame und ein Stammgast am Ende der Theke; die Klappe war offen, sodass nichts die beiden trennte. Rebus und Sammy setzten sich mit ihren Drinks in die entfernteste Ecke.
»Der Aufstand soll«, sagte er, »dass du für ihn etwas aus dem Gefängnis herausgeschmuggelt hast.«
»Nur’n Brief.«
Sie nippte gelassen an ihrem Tequila Orange. Väter und Töchter, dachte Rebus. Er stellte sich den Lord Provost und Kirstie vor. Es war klar, dass sie Entscheidungen treffen mussten, und kein Mensch traf im Leben immer die
richtigen. Töchter wurden niemals erwachsen; in den Augen ihrer Väter wurden sie lediglich zu Frauen.
»Das war nicht das erste Mal«, erklärte Sammy. »Weißt du eigentlich, dass die Wärter die ganze Post durchlesen, bevor sie rausgeht? Sie zensieren sie und geilen sich daran auf und … und ich find das widerlich.« Sie schwieg kurz. »Bei schwulen Liebesbriefen können die ziemlich ekelhaft reagieren.«
»Charters hat dir gesagt, er wär schwul?«
»Er hat’s angedeutet: ›Für einen ganz besonderen Freund‹, hat er gesagt.«
Rebus schüttelte den Kopf. »Klar ist Gerry Dip was Besonderes. Absolut erste Sahne. Hast du den Brief zu seiner Wohnung
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