Ein Ende des Wartens
brauchten einige Momente, ehe Tammy den ersten Schritt machen konnte. Es waren noch viele Schritte bis zum Wasser, aber schon nach wenigen spürten sie den feinen Sand unter ihren Schuhen, und schnell hatten sich die Freundinnen ihrer Fußbekleidung entledigt. Der Sand, kühl durch die Nacht, fühlte sich samtig auf ihrer Haut an. Mit jedem Schritt, den sie machten, fühlten sie sich wohliger, und als sie ungefähr in der Mitte auf dem Weg zum Wasser waren, breitete Tammy die Decke auf dem Sand aus und legte ihre Schuhe darauf. Annika breitete ihre Decke neben Tammys aus, setzte sich aber im Gegensatz zu ihrer Freundin gleich drauf, zog ihre Beine an und sah auf das Meer hinaus. Tammy hingegen blieb stehen und starrte auf die heranrollenden Wasserwogen auf ihrem Weg zum Strand und zurück.
Die beiden waren so fasziniert von den Wasserbewegungen, dass sie für Minuten schwiegen. Tammy blieb stehen und blickte aufs Meer hinaus, während Annika ihre Arme um die angezogenen Beine schlug und das Kinn zwischen die Knie legte.
Nach einer Weile bewegte sich Tammy und setzte sich wortlos neben Annika, die ohne eine Regung weiter aufs Meer starrte.
Ob sie denken würde, dass sie ins Wasser gehen könnten, wollte Tammy von ihrer Freundin wissen.
Nein, antwortete diese ihr. Sie glaube, dass es zu kalt sei. Und wer wüsste schon, ob es hier nicht gefährliche Tiere im Wasser gebe.
Was denn für gefährliche Tiere, fragte Tammy und dachte über Haie nach, doch Annika half ihr auf die Sprünge, als sie davon erzählte, wie sie vor kurzer Zeit eine Reportage über die Quallen an der Ostsee gesehen hätte. Deswegen würde sie von einem Wasserbad im Dunkeln abraten und nur am helllichten Tage ins offene Wasser gehen.
Dies sei ein vernünftiger Grund, meinte nun auch Tammy, schaute kurz noch aufs Meer hinaus, ehe sie sich auf die Decke legte.
Beide hingen ihren Gedanken nach, und irgendwann schloss Tammy ihre Augen und nickte kurz ein. Annika ließ ihre Freundin schlafen. Selbst war sie viel zu aufgekratzt, als dass sie an Schlaf denken konnte. Sie saß weiter zusammengekauert und schaute auf das sich laufend verändernde Meer mit seinen tosenden Wellen, die immer größer wurden, ehe sie sich am Strand ins Nichts verliefen, um unterhalb der Wasseroberfläche die nächste Welle zu tragen.
Lange hatte sie sich nicht mehr so befreit gefühlt, und Annika fragte sich, ob dieses Freifühlen durch die Tatsache entstand, dass sie aus ihrer Umwelt ausgebrochen und ans Meer gefahren war, oder ob es daran lag, weil sie mit dieser spontanen Flucht die letzte Verbindung zu ihrer ungelösten Beziehungsproblematik gekappt hatte. Doch dagegen sprach, dass sie beide mit Marcos Wagen hierher gefahren waren, der sie den ganzen Urlaub lang an ihn erinnern würde.
Diese Gedanken schwirrten durch ihren Kopf, immer und immer wieder, drehten sich im Kreis, ohne dass Annika ein Ende oder einen Ausgang aus der Fragestellung fand, und als sie sich nach einer sehr langen Zeitspanne leicht bewegte, spürte sie die Kälte, die inzwischen über den Rücken in ihren Körper gezogen war.
Langsam streckte sie aus ihrer Position heraus die Beine nach vorne und legte sich auf den Rücken. Sogleich merkte sie die Kälte, die über die Decke zu ihr drang, rollte zur Seite und weckte Tammy sanft an der Schulter.
Was denn los sei, wollte Tammy wissen, ohne dass sie die Augen öffnete.
Es sei sehr kalt und sie sollten aufpassen, dass sie nicht auskühlten, weil sie hier am Strand, mitten in der Nacht, herumlagen. Tammy rollte sich ebenfalls zur Seite, öffnete aber die Augen nicht sofort. Also stand Annika auf, nahm ihre Decke, schüttelte den Sand aus ihr heraus und deckte Tammy damit zu. Nun öffnete ihre Freundin die Augen.
Wenn du ein wenig schlafen willst, dann sollst du wenigstens nicht frieren, erklärte Annika.
Aber was mache sie in der Zwischenzeit, fragte Tammy und zog die Decke hoch ans Kinn.
Sie würde etwas am Strand umhergehen. Das würde sie auch wieder wärmen, meinte Annika, und ging auch gleich los, um Tammy nicht auf den Gedanken zu bringen, dass sie sich unfair gegenüber ihrer Freundin benahm.
Annika selbst schaute umher und ging einfach in die Richtung, in der sie gerade stand. Der Strand schimmerte im Mondlicht auf eine merkwürdige Art und Weise, und soweit Annika blicken konnte, fand sie in der Dunkelheit kein Ende des Strandes. Ganz weit hinten, fast am Rande dessen, das Annika noch schemenhaft erkennen konnte, schien der Strand eine
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