Ein Ende des Wartens
aufzuhören, erklärte er ihr, stellte sich hinter sie und umfasste ihre Schultern.
Annika sah die schwache Spiegelung seines Gesichtes neben ihrem in der Glasscheibe, und so verharrten beide für einige Augenblicke, ehe sie den Griff der Türe packte, nach unten drückte und leicht aufzog. Sofort spürten sie beide die kühle Luft, die von draußen hereindrang. Diese war jedoch nicht störend, sondern ganz im Gegenteil sehr erfrischend, denn inzwischen war die Hitze, die vom Kaminofen ausging, kaum noch zu ertragen.
Sören löste sich von Annika, um ihre Schuhe zu holen, aber er fand nur seine eigenen. Annika musste auch eine Weile suchen, ehe ihr einfiel, dass sie wohl oben im Schlafzimmer standen, sodass sie sich seine Socken überzog, um mit ihren Hausschuhen nach draußen auf die Terrasse zu treten.
Die Terrasse war zum großen Teil noch trocken, da sie durch das Dach leicht überbaut war und der Regen von der anderen Seite gegen das Haus gepeitscht hatte. Nun spürte Annika trotz der Decke, dass sie keine Hose anhatte, ging kurz nach drinnen und zog sich diese auch noch über, ohne die Manteldecke zu vergessen.
Sören hatte inzwischen zwei Stühle aus der Ecke geholt und in der beistehenden Truhe die Sitzunterlagen gefunden. Er saß auf einem der beiden Stühle und blickte ins Dunkel. Annika versuchte, seinem Blick zu folgen, doch sie sah nichts außer reiner Schwärze.
Es sei schon erstaunlich, wie dunkel und still es hier oben sei, meinte sie, als sie sich neben Sören auf den bereitstehenden Stuhl setzte.
Ja, das würde ihn umgekehrt immer wieder überraschen, wenn er in einer Stadt sei, antwortete er. Insbesondere, wenn er dort übernachtete und sich fragte, wie die Menschen bei dieser Lautstärke und Helligkeit überhaupt schlafen konnten.
Aber genauso gut fürchten sich die Menschen auch vor zu viel Dunkelheit, konterte Annika und fügte hinzu, dass sie eine allzu große Stille als bedrohlich empfinde.
Ob sie jetzt auch Angst habe, wollte er wissen.
Nein, gab sie zurück, denn er wäre ja an ihrer Seite und würde auf sie aufpassen.
Schweigend starrten die beiden wieder ins Dunkel. Annikas hielt ihren Blick fest ins vermeintliche Nichts, da sie glaubte, dass sich ihre Augen irgendwann an die Dunkelheit gewöhnen würden, aber so wenig wie sie sich alleine hier nach draußen getraut hätte, so wenig veränderte sich die Lichtempfindlichkeit ihrer Augen. Es schien tatsächlich einfach nur dunkel zu sein.
Sie solle mal nach oben zum Himmel blicken, meinte Sören nach einer kurzen Stille, und als Annika den Blick hob, durchfuhr sie ein kurzer Schauer, denn vor ihr lag der glasklare Himmel mitsamt seiner ausgebreiteten Sternenpracht.
Wow, entglitt es ihr leise, und Sören lächelte, ohne das Wow mit Worten zu kommentieren.
In den nächsten Minuten blieb Annikas Blick wie gebannt auf den Sternenhimmel gerichtet. Sie hatte plötzlich das Gefühl, dass sie niemals zuvor etwas so Schönes sah wie diesen Sternenhimmel. So einfach es auch sein mochte, aber der Gedanke, dass sie sich bisher viel zu sehr auf das alltägliche Leben fokussiert hatte, ohne die Schönheit um sich herum zu entdecken, wuchs mit jedem Moment weiter und weiter.
Ob Marco nun auch denselben Himmel sehen konnte, schoss ihr durch den Kopf, und als hätte sie etwas Verbotenes getan, schaute sie zu Sören, der aber zum Himmel hochschaute. Erst nach einigen Augenblicken bemerkte er ihren Blick, doch da hatte sich Annika schon wieder beruhigt und konnte mit dem Gedanken umgehen.
Warum kam ihr nur andauernd Marco in den Kopf? Wenn sie doch mit der Beziehung abgeschlossen hatte – warum dachte sie in jedem besonderen Moment an ihn? War sie doch noch nicht fertig mit der Beziehung? Was lag ihr daran, dass er das nächste Jahr nicht bei ihr sein konnte, um sie in den Arm zu nehmen, wenn sie sich unsicher fühlte, wie es Sören heute Abend getan hatte? Klar, Marco war einfach ein anderer Typ von Mann, der nicht mit männlicher Stärke, sondern mit glasklarer Lebensführung und absoluter Sicherheit glänzte, einer, an dem man sich nicht anlehnen, aber auf den man vertrauen konnte. Umso schwerer wog das Verschweigen des Afrika-Jahres und das Verlieren jenes Vertrauens.
War es denn so unwahrscheinlich, dass sie sich Sören so hingegeben hatte, weil sie genau das bei Marco nicht bekommen konnte? Waren es am Ende die Unterschiede beider Männer, die Annika die Augen öffneten, dass sie zwar Männer wie Sören attraktiver und vor allem
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